Endlich gefunden
Schwermut ihr unlösbares Siegel aufgedrückt zu haben schien. Eine Veränderung ging mit ihr vor. Holman, sagte sie mit plötzlich hervorbrechender Zärtlichkeit, wir haben beide in vergangenen Tagen mit zu viel Weltklugheit gehandelt; wir können nicht mit Freuden daran zurückdenken. Aber sollen wir unsere ganze Zukunft dahingeben, um einzig überDinge zu brüten, welche wir, wenn auch nicht vergessen, so doch sicherlich begraben können? Wir sind noch jung genug dazu. Vielleicht hätte ich, nachdem Sie mich verließen, der Welt entsagen und mein blühendes Leben in Sehnen und Verzweiflung verzehren sollen. Aber die Welt hatte ihre Reize, auch Reichtum und hohe Stellung lockten mich. Wie hohl solche Güter sind, lehrt erst die Erfahrung. – Sie aber, der Sie das jetzt alles besitzen, weil Sie vor Jahresfrist Eveline Blake verlassen haben, Sie sind der Letzte, der mir einen Vorwurf daraus machen sollte! Ich klage Sie nicht an; ich sage nur: wir wollen das Vergangene vergessen –
Unmöglich, rief er, und düstere Schatten lagerten sich auf seinem Antlitz. Was wir damals taten, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Für Sie und mich gibt es keine Zukunft . Begraben können wir die Vergangenheit wohl, aber sie wird nie mehr auferstehen. Vielleicht würden Sie dies auch nicht einmal wünschen. Am besten ist, wir schweigen von dem, was doch für immer vorbei ist. – Einmal wollte ich Sie wiedersehen, Eveline, aber nicht zum zweitenmal. Verzeihen Sie meine Offenheit und lassen Sie mich frei.
Ihre Offenheit will ich verzeihen, aber –
Sie sprach nicht weiter; er schien sie zu verstehenund lächelte bitter. Im nächsten Augenblick hatte er sich mit einer Verbeugung entfernt, und sie kehrte in den Kreis ihrer Verehrer zurück.
Sechstes Kapitel.
Während der nächsten Zeit schlug ich mein Quartier in einer Mietswohnung an der Ecke auf, die Herrn Blakes Hause gegenüberlag. Ich wählte ein Zimmer, das nach der Avenue hinausging, so daß ich vom Fenster aus das Kommen und Gehen des Herrn beobachten konnte, an dem ich jetzt einen stets wachsenden Anteil nahm. Seine Ruhelosigkeit war mir unerklärlich. Tag für Tag wanderte er in den Straßen auf und ab, nicht wie ein gewöhnlicher Spaziergänger, der ohne Ziel umherschlendert, sondern voll Hast und Eifer, nach allen Seiten spähend, gleich dem Raubvogel, der seine Beute sucht. Oft wurde es fünf Uhr, bis er zu Tische heimkehrte; zuweilen ging er sogar abends noch einmal aus, meist durch dieselben Straßen wie am Morgen.
Ich folgte ihm häufig bei seinen Wanderungen, in der Hoffnung, irgend etwas zu entdecken, wasmir bei der Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, behilflich sein konnte, besonders als er anfing, statt der Straßen in den vornehmen Stadtteilen, die dunkeln, engen Gassen auf der Ostseite zu seinen Ausflügen zu wählen. Die zahlreichen Verkleidungen, welche mir zu Gebote standen, schützten mich vor jeder Entdeckung.
Drei Tage lang begleitete ich ihn überallhin, in die elendesten und verrufensten Gegenden der Stadt, wo wir an Trödlerläden und Branntweinschenken stillstanden, uns bei sinkender Nacht unter das Gesindel an den Straßenecken mischten, oder die Schlupfwinkel des Verbrechens aufsuchten. Wo nur Männer versammelt waren, ging Herr Blake gleichgültig vorüber, und ich überzeugte mich bald, daß er nach einer Frau suche. Ob er, gleich mir, eine Pistole in der Tasche trug, weiß ich nicht, aber er kannte keine Furcht und zögerte nicht, selbst die gefährlichsten Stätten aufzusuchen, in die sich sonst nur die Polizei zu wagen pflegt.
Am Abend des dritten Tages begab er sich zum Schluß unserer Irrfahrten nach dem Windsor-Hotel, wo die Gräfin de Mirac Wohnung genommen hatte. Er streckte die Hand nach dem Glockenzug aus, zog sie aber wieder zurück und schritt unschlüssig auf der andern Seite der Straße auf und ab.Gleich darauf kam die Gräfin in reicher Toilette angefahren, sie mochte wohl von einem glänzenden Empfangsabend zurückkehren. Als er sie in ihre prächtigen Gewänder gehüllt aus dem Wagen steigen sah, waren seine Zweifel zu Ende. Nur einen Blick warf er auf sie, dann wandte er sich seufzend ab und kehrte nach Hause zurück.
Am vierten Tage fühlte ich mich zu meinem größten Leidwesen krank und konnte nicht mit ihm gehen. In Decken gehüllt, sah ich vom Fenster aus, wie er seine gewöhnliche Runde antrat, und der Tag verging mir in ungeduldigem Warten auf seine Rückkehr. Von Zeit zu Zeit sah ich auch Frau Daniels'
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