Endlich wieder leben
achtziger Jahre fest. »Aber auch die Männer … sahen sich mit Anforderungen konfrontiert, die neu und ungewohnt waren … In ›milden‹ Formen äußerte sich diese Haltung in ständigem Räsonnieren männlicher Kollegen über die Leistungsfähigkeit der Frauen: ›Die schaffen das sowieso nicht!‹ Schon drastischer war die Praxis, bei knapper und stockender Produktion die Arbeit so zu organisieren, dass ›zuerst die Männer auf ihr Geld kamen‹ oder wenn in metallverarbeitenden Betrieben bei gleicher Qualifikation den männlichen Kollegen die Maschinenbedienung bevorzugt zugewiesen wurde.« 52
Bei Rückkehr der Männer aus der Gefangenschaft wurden Frauen auch in der DDR oft ins zweite Glied zurückverwiesen. Nicht einmal die Anfang der fünfziger Jahre gegründeten Betriebsfrauenausschüsse konnten verhindern, dass Frauen in Verwaltungsbereiche oder auch in Putz- und Küchenbrigaden abgeschoben wurden und dadurch einen sozialen und finanziellen Abstieg erlebten. Rechte auf
dem Papier waren noch keine selbstverständlichen Rechte in der Praxis.
Sehr verbreitet waren Witze und Karikaturen, in denen Frauen als keifende Putzteufel, klatschsüchtige Angestellte, herrschsüchtige Werkleiterinnen dargestellt wurden, als Frauen also, die die Gleichberechtigung vor allem als Umkehr der Geschlechterhierarchie verstanden und nach Unterordnung der Männer strebten. Aber auch auf attraktive Sekretärinnen oder Kolleginnen entluden sich Ironie, Spott und Schadenfreude der Männer: Dachten die nicht mehr ans Schminken als an die Arbeit? War für sie die Arbeit nicht in erster Linie eine Gelegenheit, sich einen Mann zu angeln?
Patriarchale Denkmuster standen einer Veränderung der traditionellen Arbeitsteilung weiter im Wege. Männer gehörten danach in die Industrie, Frauen in pädagogische Einrichtungen und in den Handel. 53 Auch die Führungspositionen im Arbeitsleben gehörten von den Männern besetzt. »Mann belehrt Frau« zeigten die Fotos in den Illustrierten. Das erschien nicht nur den meisten Männern selbstverständlich, das entsprach auch den Haltungen vieler Frauen, die sich überwiegend als Verkäuferinnen, als Angestellte im Post-und Fernmeldewesen, als Friseurinnen sahen; die nicht nach einem Studium strebten, sondern die Berufe der Krankenschwester, Kindergärtnerin, Lehrerin wählten, 54 selbst wenn derartige Berufe durch ihre »Feminisierung« schlechter entlohnt wurden. Größere Bedeutung als die berufliche Qualifizierung besaßen für sie die Länge des Anfahrtsweges, günstige arbeitszeitliche Bedingungen oder nette Kolleginnen und Kollegen.
Denn auch in der DDR blieben Haushalt und Kinder zunächst den Frauen überlassen, und anders als Clara Zetkin prognostiziert hatte, wurden die Frauen durch ihre Erwerbstätigkeit nicht automatisch von der Herrschaft und Ausbeutung des Mannes in Familie und Haushalt befreit. Drei Viertel von Hausarbeit und Kindererziehung – manchmal noch mehr – blieb an den Frauen hängen. Obwohl die staatliche Kinderbetreuung zur Norm erklärt war, fehlten in den fünfziger Jahren noch fast überall Krippen und Kindergärten.
Junge Mütter, die nicht auf Großeltern oder Nachbarinnen zurückgreifen konnten, mussten ihre Arbeit zeitweilig aufgeben. Und jene Mütter, die einen Platz für ihr Kind erhielten, waren meist von schlechtem Gewissen geplagt, weil sie dem Kind so wenig Zeit widmen und ihm so wenig gerecht werden konnten.
Denn Frau bettelte auf den Ämtern um eine neue Wohnung, Frau suchte endlos nach neuen Schuhen für die Kinder oder nach einer modischen Bluse für sich selbst, Frau stand Schlange beim Fleischer.
Bis Ende der 1950er Jahre waren es daher vorwiegend ledige Frauen, die eine Berufstätigkeit aufnahmen. 55 Nicht zuletzt aufgrund der starken Abwanderung von Werktätigen in den Westen sah sich die SED dann gezwungen, stärker auch verheiratete Frauen und Mütter in den Produktionsprozess zu integrieren. Die schon 1952 geschaffenen Hausfrauen-Brigaden, in denen ungelernte Hausfrauen in ansonsten verpönter Teilzeitarbeit oder mit nur einer Schicht in der Konsumgüterproduktion, im Handel- und Dienstleistungsgewerbe eingesetzt werden konnten, hatten den Arbeitskräftemangel nicht beheben können. Technisierung und Automatisierung machten die Qualifizierung weiterer weiblicher Arbeitskräfte erforderlich. 1950 stellten die Frauen 40 Prozent aller Werktätigen, 1960 waren es bereits 45,4 Prozent.
Seit den sechziger Jahren bemühte sich die SED, durch
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