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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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arme, müde, ausgelaugte Ereka. Ich war ihr in den letzten Jahren keine besonders hilfreiche Freundin. Und nach meinem Ausbruch gerade eben – wer braucht schon eine Freundin wie mich?
    Auf einmal fühle ich mich selbst fett und hässlich, vollgestopft mit Schuld. Ich hätte Jamie vorhin gleich zurückrufen sollen. Ich hätte ihr einfach – noch einmal – erklären müssen, dass sie zu jung ist, um ohne meinen Schutz ein Dritte-Welt-Land zu bereisen.
    Von drinnen höre ich Summers perlendes Lachen. Ich komme nicht um den Gedanken herum, dass sie tatsächlich frei von Schuldgefühlen sein könnte. Vielleicht fühlt sie sich einfach nicht für jede Kleinigkeit verantwortlich, die im Leben ihrer Kinder schiefläuft. Heutzutage gibt es laut Werbung Desserts, die man ohne schlechtes Gewissen genießen kann. Warum sollte man also nicht ohne schlechtes Gewissen Mutter sein können? Schuldgefühle sind für unsere Selbstachtung genauso ungesund wie Transfettsäuren für die Oberschenkel. Sie sind eine gleichermaßen zerstörerische wie narzisstische Reaktion auf sämtliche Schwächen, Fehler und Mängel unserer Kinder.
    Versteht ihr, das ist ein Investment-Problem. Unsere Kinder sind kein ungewöhnliches Hobby, das wir anfangen, um nach einer Weile festzustellen, dass wir nicht sonderlich gut darin sind, und unsere ganze Ausrüstung dafür auf eBay zu verkaufen. Sie sind keine Wandfarbe, die wir übermalen können, wenn wir eines Tages merken, dass wir sie nicht mehr mögen. Sie sind nicht einmal ein Essverhalten, das wir ändern können, wenn uns ein Arzt oder unsere Garderobe nur genug Druck macht. »Du bist, was du isst« kann »Du bist, wozu sich deine Kinder entwickeln« wirklich nicht das Wasser reichen. Die körperlichen Vorzüge und Unvollkommenheiten unserer Kinder legen die Qualität unseres Genpools offen. Ihr Verhalten dagegen sagt etwas darüber aus, was wir für Menschen sind. Kinder sind ein einziges bruchstückhaftes und unablässiges Feedback zu allem, was wir geschafft und verbockt haben.
    Ich empfinde eine geradezu abergläubische Furcht davor, mich zu sehr auf die Schönheit meiner Kinder zu fixieren. Manchmal gehe ich nachts, wenn sie schlafen, in ihre Zimmer und tue so, als wollte ich mich vergewissern, dass sie eine saubere Schuluniform für morgen haben. Dann halte ich plötzlich inne, und mir stockt beinahe der Atem, genau wie damals, als ich den Uluru zum ersten Mal in der Morgensonne sah, und ich fürchte mich. Ich habe schreckliche Angst vor der Wärme in meiner Brust, wo sich etwas regt, das viel größer ist als Liebe und ohne jede Demut – beinahe eine Art stolzer Selbstüberschätzung –, wenn ich sie sehe. Ich zwinge mich, sie nicht anzustarren. Meine stolze Zufriedenheit bei ihrem Anblick bekümmert mich, das Wissen, dass niemand (höchstens noch Frank oder ihre Großeltern) sie so sieht, wie ich sie sehe. Denn in diesem Wissen steckt auch das Grauen vor der Gleichgültigkeit der Welt um sie herum, in der ihre Einmaligkeit höchstens als sentimentale Einbildung meinerseits gilt. Also wende ich mich ab und schiebe meinen Kummer beiseite. Kinder sind per se unübersetzbar. Diese tiefe Bedeutung haben sie nur für uns, ihre Eltern.
    Folglich täusche ich Lässigkeit vor. Ich tue so, als hätte ich keine Rolle dabei gespielt, dass sie so vollkommen sind. Ich war nur eine Art Kanal. Sie haben sich selbst offenbart. Für ihre Vollkommenheit und ihre Leistungen verdiene ich ebenso wenig Beifall, wie man mir die Schuld geben kann, wenn sie Mist bauen. Als Mutter hat man mit ständiger Gegenwehr zu schaffen. Wir müssen dagegen ankämpfen, uns Verdienste anzurechnen und Schuld auf uns zu nehmen.
    Sind diese beiden verzerrten Vorstellungen unseres Beitrags nicht gleich schlimm? Im Grunde ein Eigentumsverhältnis? Ich bin mir voll und ganz im Klaren darüber, dass ich weder die stereotype jüdische Mutter sein will, die in einem schlechten Witz am Strand entlangrennt und schreit: »Hilfe, Hilfe, mein Sohn, der Kardiologe, ertrinkt!«, noch die Art Mutter, die sich die Drogenabhängigkeit, viel zu frühe Schwangerschaft oder die Spielschulden ihres Kindes niemals verzeihen kann. Ich will Kinder, die weder Opfer meiner Arroganz noch meiner persönlichen Unzulänglichkeiten sind. Aber um dahin zu kommen, müssen sie es erst einmal überleben, mich als Mutter zu haben. »Mütter« habe ich in Aarons Buch nicht gesehen, doch wir müssten irgendwo zwischen den Nilpferden und den Schlangen

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