Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Kinder wirkten von seinem Ausbruch gelangweilt, ja beinahe belustigt. »Erbärmlich«, nuschelte Jamie nur.
Ich nahm Frank beiseite und wies ihn darauf hin, dass wir die beiden wie Kleinkinder behandelten, wenn wir herumbrüllten, tobten und Drohungen ausstießen, obwohl sie vielleicht gar keine Kleinkinder mehr seien. Ich legte ihm nahe, dass er mehr erreichen könnte, wenn er mit ihnen verhandelte und ihnen Raum für eigene Entscheidungen ließ.
»Aber sie brüllen und toben«, empörte er sich.
»Du bist der Erwachsene.«
»Nicht freiwillig«, brummelte er.
Mit dem allmählichen Erwachsenwerden unserer Kinder betreten wir unerforschtes Terrain und müssten einige unserer wirksamsten Erziehungsmethoden aufgeben, darunter Einschüchterung, Entzug und Manipulation, die uns in der Vergangenheit gute Dienste geleistet haben. Aber die Dinge verändern sich. Vor ein paar Wochen, nach unserem ersten furchtbaren Streit wegen der Reise nach Borneo, fand ich einen Zettel auf dem Küchentisch. Bin spazieren. Jamie hatte nicht dazugeschrieben, wo. Und sie hatte ihr Handy nicht dabei.
Diese Strategie ist bewundernswert effektiv. Ich überlegte die nächsten anderthalb Stunden, wie ich reagieren sollte, wenn sie zur Tür hereinkam. Folgende Möglichkeiten kamen in Frage:
Sie anschreien: »Du verantwortungsloses, rücksichtsloses kleines Miststück! Wie kannst du es wagen, mich durch so eine emotionale Hölle gehen zu lassen? Du hast eine Woche Elektronikverbot!«
Sie ignorieren: So tun, als wäre nichts Erwähnenswertes passiert, ohne durchblicken zu lassen, dass ich gerade eine Stunde lang abwechselnd durchgedreht und für ihre sichere Rückkehr gebetet habe.
Mich ruhig erkundigen: »Und, wie war dein Spaziergang? Hast du Delphine gesehen? Ist es nicht herrlich an der frischen Luft, und erst die schöne Meeresbrise? Eine wunderbare Möglichkeit, nach einem Streit wieder einen klaren Kopf zu bekommen, nicht? Ach, nimm vielleicht nächstes Mal dein Handy mit, nur für den Fall, dass es regnet, dass du dich verläufst oder mich aus sonst irgendeinem Grund anrufen möchtest, mein Liebling.«
Ich weiß, dass die letzte Variante die richtige gewesen wäre, und glaubt mir, ich arbeite an mir. Zustande gebracht habe ich nur eine abgeänderte Version der ersten. Ich weiß, dass meine Tochter sich verändert. Natürlich muss sie nicht auf ewig mein kleines Mädchen bleiben. Sie erneuert sich ständig. Updated ihren Status. Ich bin diejenige, die zusehen muss, dass sie da mithält. Diese Veränderungen haben wohl auch nicht erst gestern begonnen. Ich erinnere mich an einen Vorfall, als sie elf Jahre alt war. Irgendetwas war in der Schule vorgefallen, doch sie wollte mir nichts Genaues sagen. Es ging darum, nicht ausgesucht zu werden. Um die Hütten im Schullandheim. Um einen Zaun, an den jemand sie gestoßen hatte. Mit den Worten Das ist dein einziger Freund, mit dem kannst du reden.
Ich habe mich ehrlich bemüht, nicht nur über mich zu sprechen und über damals, als ich nicht ausgesucht wurde und mir zum Schluss das Zimmer mit der Neuen teilen musste, die ekelhaft schlechte Haut hatte. Trotzdem habe ich es Jamie erzählt und behauptet, letzten Endes sei es »gar nicht so schlimm« gewesen.
Deine Welt ist größer als der Spielplatz. Solche Kinder willst du doch gar nicht als Freundinnen haben. Du bist etwas Besonderes, und die sind bloß Mittelmaß. Sie sind nur neidisch auf dich. Gemeine Mädchen haben gemeine Mütter. Während ich solche und ähnliche Ermunterungen von mir gab, ertappte ich mich bei der Frage, ob ich sie tatsächlich glaubte oder ob das nur dieselben Sprüche waren, die man mir in einem Anfall von Niemand-mag-mich-Verzweiflung in meiner eigenen Kindheit erzählt hatte.
»Eines Tages«, sagte ich und bemühte mich um eine weise Tonlage, »wirst du die richtigen Freundinnen finden. Ich habe meine wahren Freundinnen erst an der Uni kennengelernt.« Wenn ich es recht bedenke, war das vielleicht ein wenig tröstlicher Gedanke für eine Elfjährige.
»Ja, Mum«, sagte sie, und eine riesengroße Träne kullerte aus einem großen braunen Auge. »Aber was ist mit jetzt?«
Ja. Was ist mit jetzt?
Jetzt ist manchmal schwer, hörte ich mich sagen. Aber am Ende wird alles gut.
Sie biss sich auf die Lippe.
Möchtest du mir noch etwas erzählen?
Daraufhin sah Jamie mich mit einem unergründlichen Blick an. Wenn ich ihn beschreiben sollte, würde ich sagen, er hatte etwas Nachdenkliches und schrecklich
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