Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Gesicht an seinen warmen Lippen angefühlt hatte und wie er die Hand auf meine Brust (also, oberhalb der Brüste) gelegt und gesagt hatte: »Dein Herz macht tausend Kilometer pro Stunde.«
»Er war der erste Mann, den ich je wirklich küssen wollte. Und es war wie … wie nichts, was ich beschreiben könnte.«
Ich sah ihr an, dass sie sich für mich freute, und sie lächelte schüchtern. Ich möchte, dass in ihrer Zukunft genau solche Küsse auf sie warten. Allerdings weiß sie hoffentlich, dass es da draußen auch jede Menge Simon Coopers gibt. Was ich damals nicht wusste (und Jamie ganz sicher nie sagen werde): Die Anzahl wundervoller Küsse, die uns im Leben erwarten, ist begrenzt. Jamie wird mit der Zeit erkennen, dass sie selten sind, sozusagen gefährdete Küsse. Man sieht zwar niemanden demonstrieren oder Unterschriften sammeln wie für die Ozonschicht oder den Tasmanischen Teufel, trotzdem sind sie Schätze. Es ist ein Fehler, sich darauf zu verlassen, dass schon noch mehr kommen werden. Damit will ich nur sagen: Wir sollten sie nicht gierig betrachten wie Sammler, sondern ehrfurchtsvoll wie Archäologen, stets in der Hoffnung, auf ein kostbares Fossil zu stoßen.
Küsse – damit findet man sich irgendwann ab – fallen der Ehe als Erstes zum Opfer. Als Nächstes kommt entweder die Rücken- oder Fußmassage. Ich bin im Stillen äußerst dankbar dafür, dass Frank den untersten Teil meiner Anatomie genießt wie einen Teller gefüllter Zucchiniblüten. Falls mir ansonsten sämtliche Gründe ausgingen, mit ihm zusammenzubleiben, würde allein sein Appetit auf meine Füße die Sache wahrscheinlich retten. Das hänge ich natürlich nicht an die große Glocke. Warum sollte ich? Aber es wäre schön, wenn Jamie irgendwann jemanden wie ihren Vater fände – nicht im perversen Freudschen Sinn, sondern im Hinblick auf die Dinge, die wirklich wichtig sind. Ich wünsche ihr ein so himmlisches Sexleben, wie Frank und ich es haben, mit aller Zeit der Welt und geborgen in ihrer Beziehung mit jemandem, den ich noch nicht kenne. Also in vielen, vielen Jahren, damit das klar ist.
Neulich hat sie mich gefragt: »Du und Dad schlaft nicht mehr miteinander, oder?«
»Natürlich nicht.« Aaron kann vom Rücksitz aus bei allem dazwischenquatschen, ohne den Blick von seinem iPod Touch zu lösen. »Dad hat doch eine Vaskotomie machen lassen.«
»Himmel, du bist so dämlich, und du brauchst dringend Nachhilfe in Sachen Aufklärung«, ächzte Jamie. »Erstens heißt das Vasektomie, und zweitens hat das nichts damit zu tun, ob sie Sex haben oder nicht. Es kommt nur kein Sperma mehr raus. Idiot.«
»Keine Schimpfwörter, bitte«, murmelte ich automatisch. Dabei habe ich mich nie um den Job als Jugendlichensprachgebrauchsberichtigungsbeamtin beworben. Der ist sehr eintönig. Außerdem gibt es keinerlei Zulagen.
»Stimmt das, Mom?«, fragte Aaron.
»Das mit der Vasektomie stimmt, und, äh, die meisten glücklich verheirateten Menschen schlafen miteinander. Das gehört zu einer Ehe dazu.«
»Sag mir nur, dass ihr es nicht tut, wenn wir zu Hause sind. Macht ihr nicht, oder? Das ist echt so … so widerlich.« Jamie verzog das Gesicht.
Ich hatte diese Unterhaltung nicht angefangen, aber … Okay, niemand will das wissen. Ich erinnere mich an eine Freundin an der Uni, die mir einmal gestand, dass all ihre Probleme – und das waren nicht wenige – daher rührten, dass sie gesehen hatte, wie ihr Vater vor ihrer Mutter masturbierte, als sie zwölf Jahre alt war. Das ist zugegebenermaßen keine passende Anekdote für eine Hochzeitsrede, aber großartiges Material für eine Psychotherapie.
»Also, nein, wir … eigentlich nicht«, sagte ich. Was ich nicht direkt als Lüge bezeichnen würde, eher als Ausflucht um der Bequemlichkeit willen. Fürs Erste. Würde man Frank danach fragen, würde er wahrscheinlich behaupten, dass wir nie miteinander schlafen. Aber wir tun es noch, glaubt mir, ehrlich.
Seit dem Vorfall mit der Zahnfee vermeide ich blanke Lügen, wenn es geht. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich die Zahnfee damals nicht als Lüge betrachtet habe, sondern als Fantasiegeschöpf. Wenn ich gewusst hätte, was das für Folgen haben kann, hätte ich die Sache sicher anders angepackt. Als Jamie ihren ersten Zahn verlor, kam mir das Ganze noch so einfach vor. Ein sauberer Tausch – den Zahn gegen zwei Dollar unter ihrem Kopfkissen. Irgendwann kamen Gerüchte auf, und eines Morgens konfrontierte Jamie mich damit.
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