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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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Scharfsinniges zugleich. Plötzlich verstand ich. Sie schätzte mich ein und versuchte zu beurteilen, ob ich mit dem, was sie mir sagen wollte, umgehen konnte. Dann nahm sie ein kleines, zusammengeknülltes Stück Papier von ihrem Nachttisch und gab es mir. Eine Reihe bösartiger Kommentare über Jamie, als wäre eine Gruppe Mädchen schwarz auf weiß über sie hergezogen.
    Das habe ich im Papierkorb gefunden. Als alle in der Pause waren. Letzte Woche.
    Letzte Woche?
    Ich wollte nicht, dass du dich darüber aufregst.
    Versteht ihr, worauf ich damit hinauswill? Es war eigentlich meine Aufgabe, sie zu trösten und zu schützen. Weil ich so viel mehr Weitblick und Lebenserfahrung und was noch alles habe und, na ja, weil ich ihre Mutter bin. Aber mit diesem starken Ausdruck in ihren dunklen Augen geriet die klare Rollenverteilung ins Wanken. Sie schützte mich. Wir hatten eine ganz normale Woche hinter uns, in der ich sie hin und wieder wegen ihrer Frechheit, Launenhaftigkeit und diverser Gemeinheiten gegenüber ihrem Bruder angeschrien hatte. Ich dachte, ich wäre meiner Aufgabe so weit nachgekommen. Währenddessen hatte sie das hier, in ihrem Herzen eingeschlossen, mit sich herumgetragen.
    An einem gewissen Punkt messen unsere Kinder unsere Kraft, und wenn wir nicht stark genug sind, ihren Schmerz zu teilen, dann schließen sie ihn weg und lernen, dass Schmerz zu qualvoll und schrecklich ist, um andere daran teilhaben zu lassen. Damit meine ich vor allem: Sie entscheiden das. Uns Erwachsenen ist nicht klar, dass wir beobachtet werden. Dabei überwachen sie uns ständig und halten Ausschau nach Schwächen. Um uns zu beschützen.
    Maeve räuspert sich. Ich blicke zu ihr auf. »Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass ›Ich habe dich lieb‹ immer der kürzeste Weg zur Versöhnung war.«
    »Sie hasst mich. Ich verstehe weder, wie es dazu kommen konnte, noch, warum ich das nicht früher erkannt habe.«
    Maeve setzt sich auf das Mäuerchen um die Terrasse. »Das nennt man Selbstdifferenzierung. So findet sie heraus, was sie von dir unterscheidet, wer sie ist. Und du willst, dass sie anders ist als du, auch wenn dir das nicht bewusst ist.«
    »Sie erwartet, dass ich ihr Dinge erlaube, die ich selbst nie tun würde – sie Gefahren aussetze, die ich nicht eingehen würde.«
    »Das bedeutet, du hast deine Sache gut gemacht.«
    Man sollte bereit sein, solche Eröffnungen von Leuten anzunehmen, die mehr Erfahrung haben, Leuten wie Maeve zum Beispiel. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie das Gefühl hat, angekommen zu sein – ihr Sohn ist erwachsen und braucht sie nicht mehr. Wahrscheinlich ist er mit einem ganzen Arsenal nützlicher Fähigkeiten ausgestattet, kann schwimmen, lesen, eine Straße überqueren, Auto fahren. Ich hingegen habe ständig das Gefühl: Wenn ich meine Kinder bis zum Punkt X bringen kann, werden sie es schaffen. Nur dieser Punkt verschiebt sich ständig. Mein neuestes Ziel ist, dass die beiden vierzig Jahre alt werden.
    Nicht, dass wir uns ständig streiten würden, versteht mich bitte nicht falsch. Neulich konnte Jamie nicht in die Schule. Wir haben zusammen Sushi gegessen, und ich habe mir mit ihr Eat Pray Love angesehen. Ich betrachte das bestimmt nicht sentimental verklärt, wir hätten wirklich zwei Freundinnen sein können, die sich einen gemütlichen Tag machen, sich die Zehennägel lackieren und gemeinsam Julia Roberts beneiden. Irgendwann am Nachmittag fragte sie mich nach meinem ersten Kuss. Daraufhin erzählte ich ihr von Simon Cooper, der groß und mager war und sich nicht sonderlich für mich interessierte – glaubt mir, Mädchen merken so etwas. Aber ich war vierzehn und noch nie geküsst worden. Er war achtzehn, hatte ein Auto und Bruce Springsteen im Kassettenrekorder. (»Was ist das?«, fragte Jamie daraufhin.) Ich erzählte ihr, wie er mich nach Hause gefahren und zur Tür begleitet hatte und dann auf mich herabgeschossen war wie eine Rakete, um mir seine Zunge halb in den Hals zu schieben. Und dass ich es zugelassen hatte, weil ich hatte wissen wollen, wie es sich anfühlte, geküsst zu werden.
    »Ach, Mum …«, seufzte Jamie. »Das war dein erster Kuss?«
    Ich sah ihr an, dass ich ihr leidtat.
    Ich musste ihr noch etwas anderes geben, denn es wäre falsch gewesen, nur den Eindruck von Simon Cooper bei ihr zu hinterlassen. Also erzählte ich Jamie, und zwar richtig, von dem einen Kuss am Strand mit Travis, als ich achtzehn gewesen war. Wie sich mein kaltes, regennasses

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