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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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fahren. Beklommen, aber nach außen gefasst, betrat er die amerikanische Botschaft. Rigó wartete draußen im Auto, ausgestattet mit einer Liste von Telefonnummern für den Notfall. Außerdem hatte er Schlüssel für Bobbys Schließfächer. Nach 40 Minuten kam Bobby wieder heraus, mit einem breiten Grinsen im Gesicht: Er hatte einen neuen amerikanischen Pass, gültig bis 2007. Jetzt konnte er beruhigt nach Budapest zurück.
    Heimfliegen konnte er natürlich trotzdem nicht mehr. In den USA würde man ihn bei der Einreise fast garantiert verhaften. Zum Problem wurde das, als im Juli 1997 seine Mutter starb. Natürlich wäre Bobby gern bei ihrer Beerdigung dabei gewesen. Einige Schachspieler aus dem Bundesstaat Washington mutmaßten, Bobby sei ins kanadische Vancouver geflogen, habe dort ein Auto gemietet und sich über die kanadisch-amerikanische Grenze geschlichen. Dann sei er die ganze Strecke nach Kalifornien hinunter gefahren und inkognito auf das Begräbnis gegangen. Dem Gerücht zufolge verfolgte er die Zeremonie unerkannt aus der Ferne und sprach mit niemandem.
    Kein Jahr später starb Bobbys Schwester Joan überraschend an einem Schlaganfall. Sie war gerade einmal 60 Jahre alt geworden. Wieder schmerzte es Bobby, dass er einem Familienmitglied nicht die letzte Ehre erweisen konnte. Die erzwungene Trennung von seiner Familie nährte allerdings den Hass, den er seit 1976 gegenüber Amerika empfand. Warum Joan Bobby im Exil nie besuchte, ist indes unbekannt. Regina jedenfalls besuchte ihn einmal in Budapest.

    Nachdem Bobby sich mit den Lilienthals und den Polgárs überworfen hatte, wurde es in Budapest einsam um ihn. Doch nach außen ließ er sich nicht anmerken, ob ihm die Zuneigung der zwei Familien fehlte. Auch wenn er seine Einsamkeit selbst herbeigeführt hatte, muss sie ihn doch geschmerzt haben.
    Er schlief nach wie vor regelmäßig bis zum Nachmittag und frühstückte dann im Hotel, normalerweise auf dem Zimmer, gelegentlich aber auch im Speisesaal. Später badete er im Pool oder in einem der vielen Thermalbäder der Stadt. Danach ging er in eine Bibliothek oder einen Buchladen. Nur gelegentlich durchbrach er seine Routine, machte lange Spaziergänge und hing beispielsweise bei den Höhlen in den Budaer Bergen seinen Erinnerungen nach. Manchmal trank er auf der Terrasse des Hilton im historischen Burgviertel einen Espresso. Rigó holte ihn meist gegen 19 Uhr vom Hotel ab, dann gingen sie zum Abendessen. Mal japanisch, mal chinesisch, indisch, ungarisch, oder auch koscher – Bobby gestaltete seine Ernährung bewusst abwechslungsreich. Gelegentlich kamen Pal Benko, Lajos Portisch, Peter Leko (ein junger ungarischer Großmeister) oder ein, zwei andere mit. Dabei saß Bobby immer mit dem Rücken zur Wand, am liebsten in einer Ecke und weitab von Fenstern. So hoffte er, unerkannt zu bleiben. Im Gegensatz zu früher zahlte er nun immer für alle seine Begleiter.
    Er brachte übrigens stets seine eigene Wasserflasche mit und trank nur gelegentlich Alkohol. Einmal erwischte er allerdings zu viel palinka , ungarischen Pflaumenschnaps, und hatte hinterher drei Tage lang einen Kater.
    Viel ist darüber spekuliert worden, wie gut Bobby während seiner fast acht Jahre im Land Ungarisch lernte. Zsuzsa Polgár meinte, er könne fast gar nichts. Auch Zita behauptete, er kenne vielleicht sieben Wörter, darunter das für seine Lieblingsnachspeise, gymulcsriz. Rigó schätzte sein Vokabular hingegen auf 200 Wörter, genug um Essen zu bestellen, nach dem Weg zu fragen, sich in Geschäften verständlich zu machen usw. Vereinfacht wurde die Verständigung durch die Tatsache, dass die meisten älteren Ungarn Russisch oder Deutsch konnten, während die jüngeren Leute Englisch beherrschten.
    Ein, zwei Mal die Woche ging Bobby ins Kino, wobei er sich meist Hollywoodfilme ansah. Einmal erzählte Bobby, er habe sich mit der von Jim Carrey gespielten Hauptfigur der Truman Show identifiziert. Wie Truman glaubte er sich oft in einer kafkaesken Welt, in der er, Bobby, der einzig authentische Mensch sei, während alle anderen nur schauspielerten.
    Etwa gegen 23 Uhr kehrte Bobby üblicherweise in sein Hotelzimmer zurück, wo er las und auf BBC Musik und Nachrichten hörte. Dann sprach er seine Gedanken auf Tonbänder: endlose Tiraden gegen Amerika und die Juden. Die Bänder sollten ihm als Materialsammlung für ein geplantes Buch dienen: eine Abrechnung mit Amerika und den Juden. Der Auslöser für diesen aktuellen Wutausbruch: Seine

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