Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
Kalmückien ein. Er versprach ihm ein Haus, gebaut nach Bobbys Vorstellungen, und schenkte ihm ein mehrere Tausend Quadratmeter großes Grundstück in der Hauptstadt Elista. Bobby dankte dem Staatsoberhaupt und erkundigte sich nach der medizinischen Versorgung im Land. Die Einladung, dort zu leben, lehnte er aber mit freundlichen Worten ab. Als Iljumschinow versprach, Millionen für einen weiteren Wettkampf Fischer–Spasski aufzutreiben, beschied Bobby ihm knapp: »Mich interessiert nur Fischer Random.« Im Laufe des Gesprächs erfuhr Fischer irgendwie, dass der Brief an Iljumschinow seine (gefälschte) Unterschrift getragen hatte. Gegen Ende des Abends bat Iljumschinow Bobby noch um ein gemeinsames Foto. Doch der weigerte sich grob; er war wütend über den in seinen Augen nunmehr zweiten Verrat Lilienthals (nach dem Silvesterfoto). »Für die 100 000 Dollar, die Sie mir gegeben haben, bekommen Sie noch kein Foto.« Iljumschinow rauschte daraufhin beleidigt ab. Ihm direkt hinterher folgte Bobby (samt Geld), stinkwütend auf Lilienthal. Bobbys lebenslange Überzeugung war, dass man einem Feind leichter vergeben könne als einem Freund. Er sah die Lilienthals nie wieder.
Als Bobby schließlich ein wild antisemitisches Traktat darüber schrieb, wie mehrere Verleger ihn betrogen hätten, widmete er es »Dem alten Judengauner Andrei Lilienthal, dessen Fälschung meiner Unterschrift auf einem Brief an die FIDE der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.«
Später überwarf sich Bobby auch mit der Familie Polgár, denn Zsófia Polgár war zu einem Simultanschaukampf in der amerikanischen Botschaft in Budapest eingeladen worden. Doch Bobbys Ansicht nach mussten die Polgárs seine Feinde – die amerikanische Regierung – auch als ihre Feinde betrachten, und er konnte einfach nicht verstehen, wie man das Angebot überhaupt erwägen konnte. In dieser Frage legte sich Bobby mit der ganzen Familie an. Ungläubig fragte er Zsófia: »Wie kannst du nur mit diesen Leuten reden?« Sie trat trotzdem an und schlug sich gut. Die Freundschaft überlebte den Vorfall jedoch nicht; Bobby meldete sich nie wieder.
Während Bobby versuchte, ein neues Leben in Budapest aufzubauen, und doch nur alle verprellte, die ihn mochten, warb er weiter um Zita. Doch er scheiterte grandios. In den acht Jahren, die er in Ungarn lebte, sah er sie nur ganz wenige Male. Sie kam allerdings zu seinem 50. Geburtstag, den er in Bulgarien feierte. Bei der Gelegenheit bat er sie erneut, ihn zu heiraten – obwohl sie mit ihrem Freund glücklich war und ein Kind hatte. »Kommt nicht infrage«, beschied sie ihm. »Und wie sieht’s mit deiner Schwester Lilla aus?«, fragte er. Als Zita ihrer Mutter davon erzählte, war Frau Rajcsanyi entsetzt. Offenbar suchte Bobby nur nach einer Gebärmaschine.
Zita glaubt, dass Bobby von der Idee besessen war, sich fortzupflanzen (vergleichbar der Versessenheit König Heinrichs VIII., einen Sohn zu zeugen). Ihrer Ansicht nach trieb ihn die fixe Idee: Ich muss heiraten und ein Kind zeugen, ich darf nicht kinderlos sterben, sonst stirbt mein Genie mit mir . Fischer sah sich indes auch anderweitig um. Als Kuppler musste sein neuer Freund und Helfer János Rigó herhalten, ein Internationaler Meister und Schachorganisator. Fischer war dabei äußerst anspruchsvoll; Kandidatinnen mussten sein: blond, blauäugig, jung, schön – und gute Schachspielerinnen. Rigo legte ihm zwar ein paar Fotos vor, doch Bobby fand fast immer etwas auszusetzen. Schließlich setzte er folgende Anzeige in mehrere ungarische Zeitungen:
Ungebundener, großer, reicher, gut aussehender Amerikaner mittleren Alters mit gutem Charakter sucht schöne junge Ungarin für ernsthafte Beziehung. Antwort bitte mit Foto(s).
(Sehr aufschlussreich, wie Bobby sich selbst beschreibt.) Ein paar Interessentinnen meldeten sich, doch keine entsprach seinem Idealbild, und so lehnte er alle ab.
Bobby las unterdessen weiter antisemitische und rechtsradikale Hetzschriften und schwadronierte unablässig über die Heimtücke der Juden. Einmal ließ er sich spät nachts von einer Veranstaltung heimfahren (Rigó diente als Fahrer). Ein jüdischer Schachspieler, der ebenfalls mitfahren wollte, durfte erst einsteigen, nachdem er erklärt hatte, dass der Holocaust nie stattgefunden hatte.
Während seiner Zeit in Budapest las Bobby Hetzschriften wie The Myth of the Six Million (»Die Lüge von den sechs Millionen«) von David Hoggan, Von den Juden und ihren
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