Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
er auf der Suche nach einem Austragungsort für den später abgesagten Kampf gegen Karpow nach Japan.) Watai hatte Bobby in Los Angeles und Budapest besucht, dazwischen waren sie brieflich in Kontakt geblieben. Miyoko, eine der stärksten Schachspielerinnen ihres Landes, himmelte Bobby als Schachidol an. Vor der ersten Begegnung hatte sie alles über ihn gelesen, was sie auftreiben konnte, und jede seiner Partien nachgespielt. Sie war in ihn verliebt.
Seinen Freunden gegenüber stritt Bobby allerdings stets ab, dass er eine romantische Beziehung zu der zwei Jahre jüngeren Miyoko unterhielt.
Und eigentlich fahndete er ja noch immer nach einer Gebärmaschine für das nächste Schachwunderkind. Vielleicht ließe sich ja auf den Philippinen die Richtige finden? So begann Bobbys Pendelverkehr zwischen Tokio und den Philippinen. Er blieb jeweils knapp drei Monate in Japan, bis sein Visum ablief, dann flog er auf die Philippinen, wo er ebenfalls drei Monate blieb. In gewisser Weise führte er ein Leben wie der Kapitän in Der Schlüssel zum Paradies. Der ist in zwei Häfen verheiratet und pendelt zwischen seinen beiden Frauen hin und her. Bobby war zwar nicht verheiratet, schlief aber in Tokio mit Miyoko und auf den Philippinen mit verschiedenen Frauen. Dieses erotische Hin und Her ging mehrere Jahre lang.
Bobby und Miyoko, beide Ende 50, führten ein beschauliches Leben in Ikegami, einem ruhigen Vorort Tokios. Sie gingen in verschiedenen onsen – heißen Quellen – baden, besuchten Kinos, machten lange Spaziergänge, saßen im Park. Niemand schien Bobby hier wiederzuerkennen, und so führten die beiden ein ganz unaufgeregtes, romantisches Mittelklasseleben. Bobby benahm sich nur selten daneben. Einmal klatschte er (als einziger) im Kino, als im amerikanischen Film Pearl Harbor japanische Zeros die Schiffe in der Battleship Row bombardierten und die USS Arizona versenkten. Die anwesenden Japaner wären vor Scham am liebsten im Boden versunken. Bobby meinte hinterher allerdings, er sei schockiert gewesen, dass niemand mitklatschte.
Und dann waren seine drei Monate in Japan wieder um, sodass Bobby auf die Philippinen jettete.
Das Leben in Baguio, einer Stadt gut 200 Kilometer nördlich von Manila, war etwas exotischer als das in Tokio. Die Bevölkerung bestand zur Hälfte aus Unistudenten (etwa 150 000), was die Chance für Bobby erhöhte, junge und schöne Frauen zu treffen. (Während seiner Aufenthalte in Japan blieb er Miyoko treu.)
In Baguio lebte er die ersten drei Monate im Country Club (ein Bewunderer hatte ihm diese Möglichkeit vermittelt). Dort spielte er täglich Tennis und traf sich mit Eugenio Torre zum Essen. Gelegentlich speiste er sogar mit dem ehrwürdigen Florencio Campomanes, dem ehemaligen FIDE-Präsidenten. Später mietete Bobby ein Haus in Torres Nachbarschaft. Regelmäßig aß er beim Ehepaar Torre zu Abend.
Auf einer Party, die Torre im Country Club gab, traf Bobby eine attraktive junge Frau namens Justine Ong, eine chinesischstämmige Filipina. (Sie nannte sich später Marilyn Young.) Eine Romanze begann. Einige Monate später wurde sie schwanger. Eine Abtreibung kam für Bobby überhaupt nicht infrage. Und so trug Marilyn das Kind aus. Auf der Geburtsurkunde des Mädchens, Jinky, stand Bobby als Vater. Er versprach, Mutter und Kind zu unterstützen. Und das tat er auch: Er kaufte ihr ein Haus, schickte gelegentlich Geschenke und Geld. Allerdings wusste Bobby nicht sicher, ob das Kind wirklich von ihm stammte. Doch genau wie Paul Nemenyi ihn unterstützt hatte, ohne sich seiner Vaterschaft sicher zu sein, war Bobby nun für Jinky da, auch als offizieller Vater. Dieses Arrangement funktionierte sieben Jahre lang gut; Bobby schickte dem Mädchen Grußkarten, die er mit »Daddy« unterschrieb, später lud er die beiden einmal zu sich ein. Einer seiner Freunde, der Bobby und Jinky zusammen beobachtet hatte, meinte, Bobby sei zwar liebevoll mit ihr umgegangen, aber doch mit einer gewissen Zurückhaltung, als glaube er nicht wirklich an seine Vaterschaft.
In einem Radiointerview für Radio Baguio behauptete Bobby am 9. August 2000, er sei kurz zuvor in Japan unter dem abstrusen Vorwurf, er schmuggle Drogen, verhaftet worden. Er ging nicht weiter ins Detail, sagte aber, er sei erst nach 18 Tagen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. Besonders absurd finde er die Sache, weil er selbst keinerlei Medikamente nehme, nicht einmal Aspirin. Der Autor dieses Buches fand für diese
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