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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Ärger. In einem auf den 7. April 2005 datierten Brief teilte ihm die UBS mit, dass sie sein Konto auflösen würde. Auf welches isländische Bankkonto man die Summe von etwa drei Millionen Dollar denn überweisen dürfe?
    Bobby plante jedoch nicht im Geringsten, sein Geld einer isländischen Bank anzuvertrauen (auch wenn er dort höhere Zinsen bekommen hätte), und verlangte zu erfahren, was da vor sich ging. In einem Interview für Morgunbladid spekulierte Bobby: »Dahinter steckt vielleicht eine dritte Partei, die mich weiter angreifen will. Ich weiß ja nicht, was die Direktoren der UBS denken, aber es scheint offenkundig, dass die Bank sich fürchtet, mich als Kunden zu behalten. Das Vorgehen der UBS ist absolut bösartig, illegal und unfair.« Er drohte mit einer Klage. Mit »dritter Partei« meinte Bobby natürlich die Regierung der Vereinigten Staaten.
    Ratsuchend wandte sich Bobby an Einar Einarsson. Der hatte sich nicht nur als Mitglied des RJF-Komitees verdient gemacht, sondern war früher auch ein Spitzenbanker gewesen. Sorgfältig und methodisch begleitete Einarsson Bobby durch einen Austausch langer, vertrackter E-Mails mit der UBS. Doch Bobby war ungeduldig. Da er seine Kampflust gerade nicht auf einem Schachturnier ausleben konnte, legte er sich eben mit der UBS an, die er ohnehin in jüdischen Händen glaubte. Doch der Schweizer Bankkonzern erwies sich als eine Nummer zu groß für Bobby: Die UBS blieb bei ihrer Position, löste sein Konto auf und überwies den Saldo an die Landesbanki Reykjavik. Bobby jammerte, er habe bei dieser Transaktion kräftig draufgezahlt.
    Nach einem Motiv für das Handeln der UBS muss man nicht lange suchen: Etliche Amerikaner unterhielten bei der UBS anonyme Nummernkonten, auf denen sie ihr Schwarzgeld vor dem Fiskus versteckten. Aus Imagegründen konnten die Bankmanager da einen Kunden wie Bobby, der öffentlich damit protzte, seit Jahrzehnten keine Steuern zu zahlen, überhaupt nicht gebrauchen. Steuerhinterziehung gerne, aber bitte diskret. Man wollte ja keinen Ärger mit der amerikanischen Regierung.
    Nun kann man sich fragen, warum Bobby sich so gegen den Transfer sträubte, schließlich lagen die Zinsen in Island höher als in der Schweiz. Einige spekulierten, Bobby habe Vorahnungen oder Insiderwissen gehabt und schon gewusst, dass die isländischen Banken zusammenbrechen würden (was 2008 geschah). Wahrscheinlicher ist aber, dass Bobby sich schlicht nicht vorstellen konnte, ewig in Island zu bleiben. Vielleicht hoffte er, zu gegebener Zeit von einem anderen Land aufgenommen zu werden.

    Der Kleinkrieg mit der Bank war zwar ein ärgerliches Intermezzo, hielt Bobby aber kaum vom Lesen ab. Er vergrub sich in Geschichts-, Philosophie- und andere Sachbücher, wie er sich früher in Schachliteratur versenkt hatte. Manchmal, wenn er ein Buch bei Bókin nicht fand, ließ er es sich bestellen. Bobby kaufte jeden Tag zwei, drei Bücher. Die meisten behielt er; einige warf er allerdings auch weg, andere verschenkte er an Freunde.
    Von der Atmosphäre her erinnerte Bókin an die Schachbuchhandlung von Dr. Albrecht Buschke in Greenwich Village, wo Bobby als Junge und Heranwachsender ein- und ausgegangen war. Auch bei Buschke hatten sich die Bücher ungeordnet gestapelt, doch das Durcheinander war nichts im Vergleich zum Chaos bei Bókin. Eines Tages ging die Unordnung Bobby jedoch derart auf den Geist, dass er dem Eigentümer anbot, gratis aufzuräumen. Bragi lehnte ab: »Wo täten wir die Bücher denn hin?«
    In »seinem« Gang fühlte Bobby sich geborgen. Er saß, im Gangster-Stil, mit dem Rücken zur Wand und sah jeden Eindringling schon von Weitem kommen. Dann sah er entweder finster auf oder tat, als wäre er völlig in seine Lektüre vertieft. Er antwortete nicht einmal, wenn man ihn direkt ansprach. Geradeso gut hätte er sich ein »Bitte nicht stören«-Schild um den Hals hängen können.
    Manchmal sprang er um kurz vor 18 Uhr auf und eilte zum Bioladen Yggdrasil. (Yggdrasil ist in der nordischen Mythologie der Weltenbaum.) Dort schlüpfte er unmittelbar vor Ladenschluss durch die Tür – und kaufte dann in aller Seelenruhe ein. Die Angestellten waren genervt, weil sie endlich heimgehen wollten, doch Bobby kam absichtlich so spät, um vor den Blicken anderer Kunden ungestört zu sein.
    Einmal fielen ihm an der Kasse Rapunzel-Schokoriegel auf. Es gab zwei Sorten: Halva und Kokosnuss. »Kommen die aus Israel?«, fragte er misstrauisch. »Nein, aus Deutschland, Sie

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