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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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seinen Namen in Fischer zu ändern, reich und berühmt zu werden, »er lässt sich neue Anzüge machen bei einem erstklassigen Schneider … ein kolossaler Palast wird gebaut, mit echten Türmen, Rösseln, Läufern, Bauern.«
    Im Artikel behauptete Ginzberg, Bobby habe gesagt, er kaufe seine Anzüge, Hemden und Schuhe bei den besten Schneidern der Welt und werde »den besten Architekten beauftragen, mir einen Turm [als Haus] zu bauen, komplett mit Wendeltreppen, Zinnen, allem. Ich will den Rest meines Lebens in einem Haus verbringen, das genau wie ein Turm aussieht.«
    Der Artikel, der außerdem provokatives Material enthielt, erregte großes Aufsehen und beeinflusste viele Interviewfragen, die Bobby in den folgenden Jahren gestellt wurden. Als die auflagenstarke britische Zeitschrift Chess den Artikel in voller Länge nachdruckte, bekam Bobby einen Wutanfall. Er brüllte: »Diese Bastarde!«
    Bobby klagte, zum Großteil gebe der Artikel seine Aussagen verzerrt oder aus dem Zusammenhang gerissen wieder. So habe er Ginzburg nie gesagt, er müsse seine »Mutter loswerden«. Es stimmt zwar, dass Regina Fischer ausgezogen war, um an einem langen Friedensmarsch teilzunehmen. Und sie sagte tatsächlich, Bobby, ein äußerst selbstständiger Teenager, sei ohne sie vielleicht besser dran. Und ja, sie war, wie viele Mütter, gluckenhaft und so übereifrig bemüht, ihrem Sohn zu helfen, dass ihm das gelegentlich auf die Nerven ging. Aber sie war auch ausgezogen, um Bobby freie Bahn zu lassen – sie wusste, dass er am besten ungestört in seinem ganz eigenen Rhythmus lebte. Ginzburg stellte das Verhältnis zwischen Bobby und Regina jedoch völlig falsch dar. In Wahrheit liebten Mutter und Sohn einander.
    Ich hätte mir gerne die Bänder des Interviews angehört oder ihre Abschrift gelesen, um zu überprüfen, was Bobby nun tatsächlich gesagt bzw. nicht gesagt hat. Doch Ginzburg behauptete, alles Recherchematerial zu dem Artikel vernichtet zu haben. Wenn das stimmte, war es zumindest ungewöhnlich: Die meisten professionellen Journalisten bewahren Abschriften ihrer Interviews auf, um im Fall einer Verleumdungsklage oder sonstiger Streitigkeiten einen Beleg vorzeigen zu können. Leider lässt sich die ganze Wahrheit nicht mehr ermitteln, doch selbst wenn Ginzburg nur wörtlich wiedergab, was Bobby sagte, war sein Artikel doch ein Stück Sudeljournalismus, ein mit der Feder ausgeteilter Faustschlag ins Gesicht: Ginzburg hatte einen verletzlichen Teenager als ungebildet, schwulen- und frauenfeindlich hingestellt, was einfach nicht der Realität entsprach.
    Schon vor diesem Interview war Bobby Journalisten gegenüber skeptisch gewesen. Doch der Ginzburg-Artikel schürte seine Wut und sein Misstrauen gegenüber den Medien, die sein Leben lang anhielten. Wenn ihn irgendwer auf den Artikel ansprach, brüllte er: »Ich will nicht darüber reden! Erwähne Ginzburgs Namen mir gegenüber nie wieder!«

    Nach dem Verdruss in der Affäre Reshevsky und mit dem Harper’s -Artikel wollte Bobby einfach nur raus aus New York und wieder das tun, was er liebte: Schach spielen. Ohne Anwälte, ohne öffentliches Tamtam, ohne Drohungen und Gegendrohungen. Deshalb nahm er die Einladung zu einem Turnier mit 20 Teilnehmern in Jugoslawien an. Es sollte in Bled stattfinden, einen Monat dauern und eines der am stärksten besetzten internationalen Turniere seit Jahren werden. Allerdings blieben ihm für die Vorbereitung nur drei Wochen.
    Gewöhnlich trainierte Bobby fünf Stunden am Tag, analysierte Partien, Eröffnungen, Varianten, Endspiele. Und dann spielte er weitere fünf Stunden Schnellschach bei Jack Collins oder in einem der Clubs. Er liebte Schnellschach, weil es ihm erlaubte, nach einem kurzen Blick auf das Brett zweifelhafte oder experimentelle Kombinationen zu spielen. Dadurch schärfte er seinen Instinkt und lernte, seiner Intuition zu vertrauen.
    Auf ein hervorragend besetztes internationales Turnier musste man sich aber systematischer vorbereiten. Bobby nahm daher keine Telefonanrufe mehr an, um nicht in seiner Konzentration gestört zu werden oder in Versuchung zu geraten, sich unter Leute zu mischen. Einmal warf er ein paar Kleidungsstücke in einen Koffer und zog ins YMCA Brooklyn, nur um mit sich und dem Schachbrett allein sein zu können. Während er dort wohnte, arbeitete er manchmal mehr als 16 Stunden am Tag.
    Malcolm Gladwell beschreibt in seinem Buch Überflieger , wie Menschen auf den verschiedensten Gebieten Spitzenleistungen

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