Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
Sekundant«, äffte Bobby ihn und seinen ungarischen Akzent nach.
»Warum verspottest du mich?«, fragte Benko.
»Warum verspottest du mich?«, machte ihn Bobby wieder nach.
»Hör auf!«
»Hör auf!«
Bisguier, der bis dahin untätig danebengestanden war, versuchte jetzt zu schlichten.
»Raus aus meinem Zimmer!«, befahl Bobby.
»Selber raus!«, blaffte Benko ein wenig unlogisch.
Und plötzlich flogen die Fäuste. Wer anfing, ließ sich später nicht mehr ermitteln, aber da Bobby saß, war er im Nachteil. Die beiden Großmeister schlugen sich und brüllten sich an wie kleine Jungs, bis Bisguier dazwischenging und die beiden trennte. Benko, der die Oberhand gewonnen hatte, bedauerte Jahre später: »Es tut mir leid, dass ich Bobby vermöbelt habe. Er war ein kranker Mann, schon damals.« Dieser Boxkampf ging in die Annalen des Schachs ein, als die erste verzeichnete Schlägerei zwischen zwei Großmeistern und Kandidaten für den Weltmeistertitel.
Am nächsten Tag bat Bobby die Turnierleitung brieflich, Benko auszuschließen. Das Komitee unternahm aber nichts.
Bis Juni 1962 schien Bobby mit jedem Wettkampf stärker geworden zu sein. »Fischer wächst von einem Turnier zum nächsten«, drückte Michail Tal es aus. Bobby hatte seine tolle Leistung in Bled 1961 mit einem noch grandioseren Triumph in Stockholm übertroffen. Jeden der fünf Sowjet-Großmeister, auf die er in Curaçao treffen würde, hatte er zumindest einmal bezwungen. Bobby schien sich dem Gipfel seines Könnens noch früher zu nähern, als irgendjemand (außer ihm) es erwartet hätte.
Doch wieder lagen alle Experten mit ihren Erwartungen falsch: In Curaçao verloren Fischer und Tal ihre ersten beiden Partien, und bald krebste Bobby auf dem vierten Platz hinterher. Insgesamt, so fasste es Eliot Hearst in Chess Life zusammen, bot das Kandidatenturnier »eine Reihe von Erstrunden-Überraschungen, die in der Schachgeschichte ihresgleichen suchten.«
So mancher spekulierte, Bobby habe in seiner Freizeit vielleicht zu viel gezockt. Glaubt man seinem Sekundanten Bisguier, ist Bobby aber nur gelegentlich abends ins Casino gegangen, um an einarmigen Banditen zu spielen. Das sei ihm allerdings schnell langweilig geworden. Bobby sah nicht fern und ging nicht ins örtliche Kino, weil er fürchtete, das schade seinen Augen – und damit seinem Spiel. Einmal besuchte er einen Boxkampf, ansonsten ging er ein paar Mal in einen örtlichen Nachtclub, aber sein Herz war nicht richtig bei der Sache.
Henry Stockhold, der für Associated Press vom Turnier berichtete, brachte Bobby eines Nachts in ein Bordell. Als Bobby eine Stunde später wiederkam, fragte Stockhold, wie es ihm gefallen habe. Bobbys legendär gewordene Antwort: »Schach ist besser.«
Tigran Petrosjan gewann das 1962er Kandidatenturnier mit 17½ Punkten (acht Siege, 19 Remis, keine Niederlagen). Die Sowjets Efim Geller und Paul Keres teilten sich mit einem halben Punkt Rückstand den zweiten Platz. Bobby kam mit drei Punkten Rückstand auf den vierten Platz und lag einen halben Punkt vor Kortschnoi.
Natürlich nahm Bobby diese Schlappe nicht so einfach hin. Er raste, und er wollte, dass die Welt erfuhr, was in Curaçao abgelaufen war. Zornig schrieb er: »Die sowjetischen Spieler hatten sich offenkundig abgesprochen. Sie vereinbarten, untereinander immer remis zu spielen … Sie besprachen sich bei laufender Partie. Wenn ich gegen einen Sowjet spielte, sahen die anderen zu und kommentierten meine Züge hörbar.«
Kortschnoi bestätigte Bobbys Vorwürfe in seinen Memoiren Ein Leben für das Schach : »Petrosjan hat alles arrangiert. Er und sein Freund Geller vereinbarten, alle Partien untereinander remis zu spielen. Auch Keres überredeten sie dazu, ihrer Koalition beizutreten … Das war ein großer Vorteil gegenüber den anderen Teilnehmern.«
Pal Benko, der nach der Schlägerei immer noch wütend auf ihn war, antwortete auf die Frage, warum nicht Fischer gewonnen habe: »Er war einfach nicht der beste Spieler.«
Nach Curaçao war Bobbys Selbstvertrauen erschüttert. Sein Traum – oder war es schon eine Manie? –, der jüngste Weltmeister der Geschichte zu werden, war geplatzt. Irgendwann würde er schon Weltmeister, das schien ihm unvermeidlich. Aber das war nur ein geringer Trost. In den vergangenen Monaten hatte er seine Konkurrenz so mühelos abgefertigt, dass er den Weltmeistertitel schon fast in seinen Händen glaubte. Nun hatten die Sowjets bewiesen, dass sie ihn stoppen konnten.
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