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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unserem Haus aus. – Bitte, Herr Knobel, wir brauchen Sie jetzt!«
     
    Stephan telefonierte mit dem Kollegen Dr. Schreiber.
    »Er will also nicht«, blökte der Kollege durch die Leitung. »Dann setze ich eben meine Maschinerie in Gang«, kündigte er eigentümlich befriedigt an.
    Die Weisung der Rosells, den Forderungen des Arztes nicht nachzukommen, verhieß im Zweifel die Einnahme weiterer Gebühren. Dr. Schreiber würde sich an dem Fall abarbeiten. Er brauchte nur darzustellen, was geschehen war. Er konnte sich auf den Sieg in dem damaligen Prozess Rosell gegen Hobbeling stützen, würde die Umsatzeinbußen darstellen und dann wortgewaltig vorbringen, was das Begehren seines Mandanten rechtfertigte. Die Plattform für ein Feilschen über die Schadenersatzforderungen des Arztes war schnell geschaffen.
    »Meinem Mandanten war es übrigens ernst damit, Ihren Auftraggeber auf Gran Canaria aufzusuchen«, fuhr er unerwartet milde fort. »Es tut Herrn Rosell vielleicht einfach nur gut, in Frieden zu gehen. Und das heißt, sich mit allen auszusöhnen, mit denen er sich im Laufe des Lebens überworfen hat.«
    Stephan staunte über diese gleichermaßen rationale wie empathische Betrachtungsweise. Bevor er antworten konnte, setzte Dr. Schreiber nach: »Aber er will diese Lösung offensichtlich nicht haben. Jetzt ist es Zeit für die juristischen Schwerter. – Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen meine Forderungsschreiben direkt zusenden darf, Herr Kollege Knobel. Sie sind doch bevollmächtigt, nicht wahr? – Verzeihen Sie mir, dass ich mir nicht die Mühe machen möchte, die spanische Domiziladresse von Herrn Rosell herauszufinden. Ich möchte meine Briefe auch nicht lange durch Europa geistern lassen. Sie wissen, warum ich das tue. Wenn Ihr Mandant stirbt, müssen die Forderungen gegen ihn fällig geworden sein. Sonst gehen sie ja nicht auf die Erbin über. Angesichts der weigerlichen Haltung Ihrer Klientel werde ich die Forderung aus anwaltlicher Vorsicht erhöhen: 500.000 Euro.«
    »Sie spinnen«, ereiferte sich Stephan.
    »Wenn Sie so alt sind wie ich, betrachten Sie das Leben und seine Facetten aus einem anderen Blickwinkel«, belehrte Dr. Schreiber ruhig. »Und im Übrigen: Meine Gebühren sind genauso hoch wie Ihre. Sie meckern doch nicht wirklich über hohe Streitwerte. Tun Sie nicht so heilig! Unser Beruf ist unser Geschäft, Kollege Knobel. Sie hätten sich mal in meiner Kanzlei bewerben sollen. Wie ich höre, gehen Sie jetzt Ihren Weg allein. – Vernünftige Entscheidung, ich kann das beurteilen. Ich wollte auch nie mit jemandem, und niemand wollte mit mir. Aber wissen Sie was: So etwas prägt! – Also wirklich: An Ihnen könnte ich Gefallen finden. Mit fast 70 höre ich doch irgendwann auf. Vielleicht reden wir mal darüber. Ich hinterlasse einen soliden Mandantenstamm. Sie müssten mich nur noch einige Jahre halbtags ertragen. Wissen Sie, die Kanzlei ist mein Refugium. Stellen Sie sich vor, ich müsste den ganzen Tag mit meiner Frau verbringen – oder sie mit mir.« Er lachte schallend. »Herr Kollege, Sie hören von mir, Auf Wiederhören.«
     
    Schreibers angekündigter Brief ging am nächsten Tag in der Kanzlei ein. Löffke selbst brachte den Brief in Stephans Büro.
    »Herr Kollege Knobel, Sie haben da einen Posteingang. Ich beehre mich, Ihnen das Schriftstück persönlich zu überbringen«, sagte er mit genussvoller Ironie.
    Er warf den Brief lässig auf den Schreibtisch. Stephan wollte Löffke gerade hinauswerfen, doch der kam ihm zuvor.
    »So lange Sie hier noch quasi Untermieter sind, Herr Knobel, sollten wir die wirtschaftlichen Eckpunkte für die Nutzung des Equipments unseres Hauses festlegen.«
    Equipment und unser Haus: Beide Begriffe passten und waren von Löffke wohl überlegt gewählt.
    »Ich schlage vor, dass wir genau nach Zeitaufwand abrechnen«, sagte Löffke.
    »Wenn Sie also für die Bearbeitung Ihres einen Falles eine Schreibkraft unseres Hauses beanspruchen, wobei ich Ihnen ohne Weiteres die qualifizierten Kräfte mit einigen Berufsjahren und nicht die Junghühner von der Berufschule zugestehe, dann sollten wir auf der Basis eines zu vereinbarenden Tarifs minutengenau abrechnen. Was meinen Sie, Knobel?«
    Löffke hatte, wie üblich, eine regelungsbedürftige Angelegenheit in demütigende Worte gekleidet.
    Der Rivale brachte sich in Positur und wartete.
    »Ist das okay?«, fragte er. Dann ging er. Es war keine wirkliche Frage gewesen.
    Stephan blickte nicht auf und öffnete

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