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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Aussage ist doch richtig: Sie fahren schon seit Jahren in ihr Haus an der Küste. Es rührt die Leser an, wenn sie den todkranken Mann vor der traumhaften Kulisse sehen – von dem weit hinten liegenden Zementwerk mal abgesehen.«
    »Denk mal weiter!«, sagte Marie. »Wie lange der Silobau dauert, könnte man notfalls feststellen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dies eine lange Zeit beansprucht. Vielleicht nur einige Wochen.«
    »Die Südländer bummeln häufig«, warf Stephan ein.
    Marie überging seinen Einwand.
    »Justus Rosell wird irgendwann vor deiner Beauftragung mit seiner Frau in Maspalomas gewesen sein. Nur kurze Zeit vorher. Und bei dieser Gelegenheit wurde das Foto gemacht, Stephan, ich bin mir sicher.«
    »Ja, und?«
    »Wie ist er zu der Stelle gekommen, an dem die Aufnahme gemacht wurde? Du kennst doch die Örtlichkeiten. Es gibt keine Möglichkeit, mit dem Auto hinzufahren. Es ist eine Promenade nur für Fußgänger und Radfahrer. Von welcher Seite auch immer er dort hingelangt ist: Er musste einige hundert Meter gehen. Von seinem Haus aus musste er sogar etliche Stufen überwinden. Das geht nicht bei einem Menschen, der zu dieser Zeit schon sterbenskrank und kaum bewegungsfähig war. – Sieh mal, wie gerade er auf dem Bild steht! Das kann nicht sein!«
    Stephan schüttelte den Kopf. Er betrachtete nachdenklich den kleinen dünnen Strich.
    »Dieser Baukran soll also aus meinem Mandanten einen Simulanten machen? Ich kann das nicht glauben, Marie. Denk mal an all die anderen Umstände: Das Gerichtsverfahren gegen Hobbeling, die von dem Arzt gefertigte Röntgenaufnahme, die die katastrophalen Tumorwerte ergeben hat. Die Aufnahme lag damals in dem Gerichtsverfahren vor. Es ist von Hobbeling nie bestritten worden, dass Rosell todkrank ist. Denk an die jetzige Auseinandersetzung mit Hobbeling. Das Gespräch mit diesem Dr. Schreiber war alles andere als angenehm. Wie es aussieht, muss Rosell sogar noch eine erhebliche Summe an Hobbeling zahlen. Wie soll all das mit dem vereinbar sein, was du andeutest? Ich möchte nicht in der Haut von Justus Rosell stecken, das kannst du mir glauben …«
     
    Marie verschwand wortlos im Bad. Stephan hörte, wie sie einen Putzeimer mit Wasser füllte.
    »Marie!« Er eilte ihr nach.
    »Marie, es tut mir leid. Aber meinst du nicht auch, dass es für den Baukran eine ganz harmlose Erklärung gibt? Wie viele Baustellen stehen in Deutschland über Monate, vielleicht sogar über Jahre, still? – Vielleicht gehört der Kran zum Werk und steht dort ständig? Ein einziger kleiner Strich auf dem Foto beweist doch nichts. – Sag mir einfach nur, wie du darauf kommst. Mir wäre im Leben nicht eingefallen, die Fotos bis ins Detail zu untersuchen, ob es irgendwelche Anhaltspunkte dafür gibt, dass uns Justus Rosell etwas vorspielt.«
    »Ich finde alles zu dick aufgetragen«, sagte Marie. »Alles ist medial aufbereitet. Wenn ich sterben würde, würde ich mich zurückziehen.«
    »Wie einfach du das sagst!«, wunderte sich Stephan. »Wann denkt man schon darüber nach, wie man stirbt? Ich jedenfalls habe daran noch nie gedacht. Oder wenn ich daran gedacht habe, habe ich es sofort wieder verdrängt.«
    »Und was wollte der dicke Kerl an Rosells Grundstück?«, fragte Marie.
    Stephan zuckte mit den Schultern.
    »Ich war mir ziemlich sicher, dass es Polloschek war, aber beschwören würde ich es natürlich nicht«, sagte er.
    »Ein Polloschek, der kein Polloschek ist, das weißt du doch«, hielt sie ihm vor. »Du machst dir etwas vor. Da drängen sich Fragen auf, du spürst es doch!«

14
    Frau Rosell rief am nächsten Tag zurück.
    »Wir können dem nicht zustimmen«, eröffnete sie. »Mein Mann wird sich nicht bei Hobbeling entschuldigen. Es wäre ein Freibrief für ihn. Er soll bleiben, wo er ist. Und Justus wird auch keine 200.000 Euro zahlen. Wir halten uns von der Presse fern, diese Zusage kann ich geben. Ich will kein öffentliches Sterben. Alle sollen meinen Mann in Erinnerung behalten, wie sie ihn kennen. Er hat schon wieder abgenommen. Ich lasse auch den glitschigen Journalisten dieses Magazins nicht mehr in das Haus. Wir haben den falschen Weg eingeschlagen, Herr Knobel. Ich weiß: Sie haben uns vorher gewarnt. Sie hatten recht. – Bitte, regeln Sie die Sachen in unserem Sinne! Wir setzen auf Sie! Und kommen Sie bitte zurück! Ich bin mit der Situation überfordert. Außerdem war der dicke Kerl wieder da. Ich habe ihn gesehen. Er fotografiert von der Anhöhe hinter

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