Endstadium
morgens im Hotel gemietet hatte. Seine erste Fahrt mit dem Auto hatte ihn nach Puerto de Mogán geführt, wo er sich an dem Café vorbeischlich, in dem Frau Schürmann Posten bezogen hatte und wie jeden Tag – versehen mit reichlich Illustrierten – das Boot von Rosell im Blick behielt. Stephan hatte die Hafenpromenade gemieden und war über einige rückwärtige Gassen zur anderen Seite der Mole gelangt. Er hatte das Boot mit seinem Handy von einer Stelle aus fotografieren können, an der ihn Frau Schürmann nicht sehen konnte. Danach hatte er noch einige andere Boote fotografiert. Sein nächster Weg hatte ihn zu einem Bootshändler direkt im Hafenviertel geführt, der erwartungsgemäß der deutschen Sprache mächtig war. Stephan hatte erklärt, dass er daran denke, in nächster Zeit ein Boot zu kaufen und sich im Hafen einige Boote angeschaut habe, die ihm zusagten. Er hatte gefragt, wie teuer und wie schnell solche Boote seien, die Fotos der von ihm aufgenommenen Boote gezeigt und dabei erfahren, dass es sich bei Rosells Boot um einen zehn Meter langen Bayliner mit sechs Kojen, einer Nasszelle, einem Treibstofftank für 300 Liter, zwei OMC-Motoren und einer maximalen Geschwindigkeit von 50 km/h handelte. Stephan hatte sachkundig genickt. Der Bootshändler hatte ihm reichlich Material und seine Karte mitgegeben und die Handynummer eingekreist, unter der man ihn Tag und Nacht erreichen könne. »Jederzeit!«, hatte er mehrfach beschwörend und ermahnend wiederholt und zum Abschied gerufen: »15.500 Euro, gebraucht, aber in erstklassigem Zustand. – Ach was, 15.000 Euro …«
Auf der Rückfahrt vom Flughafen fuhr Marie das Auto. Sie sollte Fahrpraxis mit dem ihr unbekannten Wagen bekommen. Sie verließen die Autobahn und besichtigten Agüimes, wo sich das Original der Kirche befand, dessen imposantes Duplikat in der Hotelanlage stand.
Danach fuhren sie an Maspalomas vorbei nach Arguineguín. Hier stand die Zementanlage, die man von der Küstenpromenade in Maspalomas im Hintergrund als tristes Ensemble sehen konnte. Sie dominierte mit ihren grauen staubigen Silos, Bunkern, Halden und Verladeanlagen den ansonsten recht hübschen Ort. Die meisten, die Maries Frage nach dem im Bau befindlichen Silo überhaupt verstanden, zeigten sich über ihr Interesse an der Anlage verwundert und zuckten unwissend die Schultern. Nur ein alter Cafébesitzer, der Jahre in Deutschland in der Gastronomie gearbeitet und sich mit dem eigenen Geschäft vor 20 Jahren einen Traum erfüllt hatte, wusste mehr. Tatsächlich hatte es mit dem Silo Probleme gegeben. Man habe den ersten Silo wegen statischer Probleme abgerissen, nachdem dieser bereits im Rohbau fertiggestellt gewesen sei, und habe dann nach längerem Stillstand mit dem Bau des neuen Silos begonnen. All dies wusste er von Miguel, seinem Bruder, der in der Anlage gearbeitet und nicht so schlau gewesen war, sich den Traum von der eigenen Selbständigkeit zu erfüllen. Der Cafébesitzer schlürfte einen Milchkaffee und blieb im Türrahmen seines schlichten Lokals stehen. So schmeckte die Freiheit, die er immer gewollt hatte.
Marie war enttäuscht. Der, wie sie fand, einzige wirkliche Beweis für das betrügerische Handeln von Rosell war wie eine Seifenblase zerplatzt. Das Bild, das ihn und seine Frau auf der Promenade in Maspalomas zeigte, konnte tatsächlich älter sein und aus der Zeit stammen, als Justus Rosell seine vorgebliche Erkrankung noch nicht hatte.
Stephan relativierte. »Wenn die beiden so gerissen sind, wie es aussieht, werden sie nicht bei Kleinigkeiten patzen und ein Foto veröffentlichen lassen, mit dem man sie der Täuschung überführen kann.«
»Aber an ein solches Detail hätten sie nicht gedacht, Stephan«, verteidigte sie. »Man sieht das nur bei genauer Betrachtung der Fotos.«
»Es ändert nichts«, beruhigte er. Er fand bewundernde Worte für den Cafébesitzer. Stephan wollte sie ermuntern, über eine selbständige Tätigkeit nachzudenken. Ihm war der Gedanke gekommen, weil er sich daran erinnerte, dass Marie nur durch ihre Muße veranlasst gewesen war, die Bilder so genau miteinander zu vergleichen.
Sie schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Ich habe heute Morgen noch die Wohnung geputzt«, sagte sie und lachte. Die Arbeitslosigkeit belastete im Moment nicht. Sie hatte etwas zu tun.
Als sie in das Hotel gingen, kam ihnen Alex entgegen. Sie grüßte ihn schnippisch und strebte an ihm vorbei.
Marie sah Stephan fragend
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