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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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der Lästerbank lief ein zufriedener Harald in blauem Overall herum.
    Er lächelte mir zu. »Na, Alter, wie geht’s heute? Kopfschmerzen?«
    »Nein, nein. Mir geht es ausgezeichnet. Du weißt, guten Menschen geht es immer gut. Ist das das Schiff?«
    Ich schaute lange zu dem Steg hinüber, an dem das weiße Segelschiff angelegt hatte. Erst jetzt fiel mir auf, dass es anders war. Irgendwie gehörte es nicht hierher.
    »Ja, das ist es.« Wir gingen langsam in die Richtung. »Es ist ein Schoner, ein zweimastiger Stahlschoner. Ist dir aufgefallen, dass der Großmast ganz hinten ist und fürs Stagsegel aufgetakelt?«
    Harald schielte zu mir herüber. »Du hast keine Ahnung, was ein Stagsegel ist, oder?«
    »Nein.«
    »Das bedeutet, dass das Schiff zwischen beiden Masten Segel führt. Das Segel erinnert sehr an Focksegel. Du hast doch mal vom Fock gehört?«, versuchte er mich zu necken.
    Ich ignorierte ihn und zählte neun Bullaugen. Fünf auf der vorderen Seite und vier auf der hinteren.
    »Ein fremder Vogel in unseren Breitengraden, aber das Biest sieht gut aus, wenn es unter vollem Segel ausläuft.« Ein Hauch von Sehnsucht trat in Haralds Stimme und Gesicht.
    Wir waren zum Schoner gekommen, der friedlich und menschenverlassen dalag. Hübsch und auffällig traf es gut. Er war kreideweiß, etwa zwanzig Meter lang und vier bis fünf Meter breit. Der Steven war lotrecht und von ihm ragte ein riesiger Spriet mit einem Netz darunter heraus, das aussah wie ein Kletternetz auf einem Spielplatz. Aber hier gab es keine kleinen Kinder, hier gab es überhaupt niemanden. Das Schiff lag da, als wäre es für den Winter zurechtgemacht worden, aber es war Hochsommer.
    Der einzige Aufbau war ein niedriger Wandschirm vor dem Ruder; wie bei den ersten Schaluppen stand man draußen und steuerte. Das unterstrich noch den langen, schlanken Schiffskörper und außerdem waren die beiden Masten außergewöhnlich hoch und schmal. Es gab keine Wanten, um hinaufzukommen, nur dünne Drahtseile zum Festhalten.
    Das war wirklich ein fremder Vogel.
    Die Flagge, die ich gestern gesehen hatte, war verschwunden. Der Flaggenmast stand nackt und kahl da, und ohne Schmuck hatte er etwas Verwelktes, Herbstliches an sich.
    Vorne stand kein Name, darum ging ich ans Heck. Eva, Asunción. Asunción?, überlegte ich. Das war eine Stadt, wenn ich mich recht erinnerte, aber wo?
    »Paraguay«, sagte Harald, der offenbar meine Gedanken gelesen hatte. »Asunción ist die Hauptstadt von Paraguay. Ich bin mal dort gewesen, als ich auf großer Fahrt war, aber ich kann mich nicht mehr an die Stadt erinnern. Eine dieser üblichen südamerikanischen Städte mit Hochhäusern und Slums quer durcheinander. Reiche und Arme in einem Chaos, unter Druck gehalten von den Soldaten eines brutalen Diktators.«
    »Ich dachte, Paraguay liegt mitten im Landesinnern.«
    »Tut es auch, aber der Paraguay-Strom ist die Verbindung zum Meer.«
    Wir blieben einen Augenblick stehen und blickten auf die Eva aus Asunción in Paraguay. Sie konnte sich sehen lassen. Irgendwas wühlte in meinem Kopf herum.
    »Harald, wofür ist Paraguay bekannt?«
    »Keine Ahnung. Unterdrückung?«
    »Ja, und was noch? Was ist aus Europa seit dem Zweiten Weltkrieg dort hingeströmt?«
    »Da sagst du was. Alte Nazis. Verdammt nochmal, das Land ist voll von Kriegsverbrechern und Stroessner und seine Nachfolger liefern keinen aus, egal an welches Land.« Er schwieg eine Weile. »Denkst du an Sonja und Hugo und an die Artikelserie?«
    Ich wollte Harald gerade antworten, als eine wütende Stimme brüllte: »What are you doing? Get away!« Das wurde mit einem schleppenden spanischen Akzent gerufen, wobei der Mann, der mitten auf dem Schiff stand, aussah wie die personifizierte Brutalität. Groß und breitschultrig, kurzes blondes Haar, und selbst auf die zehn Meter Entfernung blitzten seine hellblauen Augen. Das weiße Unterhemd war kurz davor, von den Muskeln gesprengt zu werden, aber er sah nicht aus wie jemand, der Bodybuilding nur zum Vergnügen machte.
    »Just looking at your beautiful ship«, antwortete ich und versuchte, dabei freundlich zu klingen.
    Der Blonde bewegte sich mit federndem Gang langsam an Deck in unsere Richtung. Er wog bestimmt über zweihundert Pfund. Der Schoner lag hoch im Wasser, das Deck war ungefähr einen Meter über der Kaihöhe. Das ließ den riesigen blonden Ochsen noch bedrohlicher erscheinen und außerdem strahlte sein Gesicht nicht gerade Entgegenkommen aus, als er uns sagte, dass wir

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