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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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anschließend Amok. Die SS-Beamten benutzten eine besondere Sprache, in der sie Ausdrücke verwendeten wie Versetzung, Sonderbehandlung, Reinigung, Adressenänderung oder natürlicher Schwund. Die Sprache der Wirklichkeit klang anders:
     
    Moennickes und ich gingen direkt zu den Gräbern. Niemand hielt uns auf. Jetzt hörte ich kurz hintereinander Gewehrschüsse hinter einem Erdhügel. Den Menschen, die von einem Lastwagen stiegen – Frauen, Männer und Kinder jeden Alters –, wurde von einem SS-Mann, der in der Hand eine Reit- oder Hundepeitsche hielt, befohlen, sich auszuziehen und die Kleider an eine bestimmte Stelle zu legen. Schuhe, Unterzeug und den Rest jeweils für sich. Ich sah einen Haufen Schuhe, etwa achthundert oder tausend Paar, große Haufen von Unterzeug und anderer Kleidung. Ohne Geschrei oder Weinen zogen sich diese Menschen aus, standen in Familiengruppen zusammen, küssten sich und verabschiedeten sich voneinander und warteten auf den Befehl eines anderen SS-Mannes, der am Grab stand und ebenfalls eine Peitsche in der Hand hatte. In der Viertelstunde, die ich dort stand, hörte ich kein Jammern, kein Bitten um Gnade. Ich sah eine Familie von acht Personen … Eine alte Frau mit schneeweißem Haar trug ein einjähriges Kind auf dem Arm, sang ihm etwas vor und streichelte es. Das Kind lachte vor Vergnügen. Die Eltern schauten mit Tränen in den Augen zu. Der Vater hielt einen wohl zehnjährigen Jungen an der Hand und sprach leise mit ihm. Der Junge kämpfte mit den Tränen. Der Vater hob die Hand und zeigte mit dem Finger zum Himmel, strich dem Jungen über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären. Da rief der SS-Mann am Grab seinem Kameraden etwas zu. Der suchte ungefähr zwanzig Personen aus und befahl ihnen, hinter den Erdhügel zu gehen. Die von mir beschriebene Familie war darunter. Ich weiß noch genau, wie ein Mädchen, schwarzhaarig und schlank, auf sich zeigte, während sie an mir vorbeiging, und sagte: » Dreiundzwanzig Jahre! « Ich ging um den Erdhügel herum und stand an dem riesigen Grab. Dicht aneinander gepresst lagen die Menschen so, dass man fast nur die Köpfe sehen konnte. Aus fast allen Köpfen floss Blut. Einige bewegten sich noch. Einige hoben die Arme, um zu zeigen, dass sie noch lebten … Ich sah mich nach dem um, der geschossen hatte. Er, ebenfalls ein SS-Mann, saß auf der Kante des Grabes, die Beine hingen hinein, die Maschinenpistole lag auf seinen Knien und er rauchte eine Zigarette. Die nackten Menschen gingen eine Treppe hinunter, die in den Lehmboden des Grabes gehauen worden war, rutschten über die Köpfe der Leichen zu der Stelle, die der SS-Mann ihnen anwies. Sie legten sich auf die toten oder sterbenden Menschen, einige streichelten die noch lebenden und sprachen leise mit ihnen. Dann hörte ich eine Reihe von Schüssen. Ich schaute ins Grab hinunter und sah, wie ein Ruck durch die Körper fuhr oder die Köpfe bereits ruhig auf den Körpern lagen, die schon dort gelegen hatten. Von den Nacken floss Blut.
     
    Das war die Wirklichkeit am 5. Oktober 1942 laut Ingenieur Hermann Friedrich Gräbe. Und das war ›nur‹ die Hinrichtung von fünftausend Menschen, eine Promillezahl im Verhältnis zur Gesamtzahl. Mithilfe von Giftgas kam die Rationalisierung voran. Am 17. März 1942 betrug die tägliche Hinrichtungsquote im Lager Belzec 15.000 Menschen, im April kam Sobibor auf 20.000, ferner Treblinka und Majdanek mit etwa 25.000 und dann Auschwitz, die größte Menschenvernichtungsfabrik der Geschichte, wie der Lagerkommandant Rudolf Höss stolz sagte. Allein in Auschwitz wurden zwei Millionen Menschen ermordet. Die Zahl der insgesamt Ermordeten beträgt viele Millionen.
    Zu allen anderen Plagen war jetzt noch eine widerliche Übelkeit hinzugekommen. Das war kein Lesestoff für Menschen. Andererseits, wenn andere so etwas taten, musste ich es zumindest lesen können. Während des Krieges war genug geschwiegen worden und heute noch gab es welche, die behaupteten, die Lager hätte es gar nicht gegeben.
    Mord und Tötung auf diesem Niveau hatten sich nur durchführen lassen, weil die deutsche Industrie alles getan hatte, um behilflich zu sein. Das Giftgas Zyklon B wurde von der berühmten Firma IG Farben hergestellt. Deren Filiale Degesch übernahm es später und der Aktienwert verdoppelte sich. Doch die Firma hatte ein Problem: Die übliche Warnung vor Vergiftung durfte nicht auf der Packung stehen und deshalb hatte sie Angst, das Monopol auf dieses Wundergift zu

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