Endstation Färöer
verlieren. Deutsche Firmen boten den Bau der Vernichtungslager und andere Dienstleistungen an. Die Industriebetriebe erhielten auch Arbeitskräfte aus den Konzentrationslagern und das waren Firmen, die wir auch heute noch kennen: Krupp, Siemens, IG Farben, Rheinmetall, Messerschmidt, Heinkel und viele andere. Jedes traute Heim hat Haushaltsgeräte von diesen umsichtigen Firmen, die sich so viel Mühe gegeben haben, ihre Hände zu waschen, dass keine Haut mehr dran ist. Wirklich bestraft wurden sie nicht. Ein paar Jahre oder Monate für einige von ihnen – » 50 mild verurteilt, dass ein Hühnerdieb sich freuen würde « , wie der Ankläger Josiah DuBois ärgerlich sagte. Alfred Krupps Besitz wurde konfisziert, aber er bekam alles zurück, weil die Amerikaner meinten, eine Enteignung widerstrebe der amerikanischen Lebensphilosophie. Außerdem überließen es die Alliierten den Deutschen selbst, zu entscheiden, wer bestraft werden sollte und wer nicht, und selbstverständlich wurde so wenig wie möglich getan. Einige wurden zu Wiedergutmachungszahlungen verurteilt, einige nicht, und wieder andere weigerten sich. Mehr geschah nicht.
Ich blieb sitzen und dachte über das Gelesene nach. Ich hatte eine paradoxe Lust, mehr über die SS und ihre Taten in den Konzentrationslagern zu lesen und darüber, wie sie den Massenmord an verschiedenen Orten in Europa durchführten, aber die Uhr zeigte mir, dass dazu jetzt keine Zeit mehr war. Stattdessen nahm ich mir das Wenige vor, das es über ODESSA gab.
ODESSA, 1947 gegründet, ist die Hilfsorganisation der alten SSler: Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen. Gold und Geld in unermesslichen Mengen wurden in die Schweiz und nach Südamerika geschickt, haufenweise falsche Papiere wurden ausgestellt und Bestechungsgelder verteilt, wo es nur ging. Und es ging fast überall. So einfach, dass fast alle Kriegsverbrecher verschwunden waren, als die Alliierten anfingen, nach ihnen zu suchen. Die Organisation, die alles regelte, war ODESSA. Sie erhielt Hilfe von Teilen der katholischen Kirche, die alte Nazis an verschiedenen Orten in Klöstern versteckte; einer wurde erst vor Kurzem in einem Kloster in Südfrankreich gefunden, wo er sich seit dem Krieg aufgehalten hatte. Das Kloster wusste, wer er war, half ihm aber, sich zu verbergen. Was die Kirche dafür bekommen hat, können wir nur erraten. Der wichtigste Fluchtweg ging Ende des Krieges durch Deutschland in den Süden. In Italien bewegten sich die Nazis von Kloster zu Kloster, um zum Schluss in Süditalien an Bord von Schiffen zu gehen, die nach Südamerika fuhren, vor allem nach Argentinien und Paraguay, wo diese Verbrecher seitdem in Luxus lebten.
Nach dem gelungenen ›Exodus‹, wie jemand den Flüchtlingsstrom spöttisch nannte, legte ODESSA die Hände nicht in den Schoß. Jetzt begannen sie, die Zukunft vorzubereiten. Ein stattlicher Teil der Kriegsverbrecher war nicht geflüchtet, sondern verbarg sich an verschiedenen Orten Deutschlands und kroch erst nach und nach hervor. Mit ODESSAs grenzenlosem Reichtum im Rücken konnten sie nunmehr Betriebe unterschiedlicher Art gründen. Heute noch ist der Westen Deutschlands durchsetzt von alten Nazis in hohen Positionen. Diejenigen, die im Osten gelandet waren, mussten sich nicht verstecken, sie fanden sofort einen Platz bei der Stasi. Die ehemaligen Nazis saßen sicher in beiden Teilen Deutschlands und brauchten im Großen und Ganzen vor nichts Angst zu haben.
Ab und zu musste die deutsche Regierung einen Verbrecher vor Gericht zitieren, um den Schein zu wahren – vor allem nachdem Simon Wiesenthal, der berühmte Nazijäger, oder andere nach Jahren genug Material gesammelt hatten, um die Betreffenden zu entlarven. Aber dann trat ODESSA auf. Natürlich nicht direkt, denn ODESSA existiert offiziell nicht, es ist eine geheime Organisation, die alles tut, um weiterhin geheim zu bleiben. ODESSA also organisierte die besten Rechtsanwälte Deutschlands sowie Ärzte, um die Gerichtsverfahren zu verschleppen. Und so konnten die Betreffenden in den meisten Fällen weitermachen wie bisher.
ODESSAs Zukunftspläne wurden mit der Zeit immer umfassender. Sie schlichen sich in die Waffenindustrie ein, halfen den arabischen Ländern gegen Israel. Deutsche Techniker leiteten große Teile der Waffenindustrie in diesen Ländern, dafür hielten die arabischen Staaten die Kriegsverbrecher verborgen. An Geld mangelte es nicht. Sie agierten auch an einer anderen Front, indem sie den Leuten
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