Endstation Färöer
Erinnerungen an eine Angeltour am Strand oder in kleinen Booten. Harald trug einen grauen Parka, der zum Ausgleich mehrere Nummern zu klein war, sodass er darin wie eine große Boje aussah, die kurz davor war, zu explodieren.
Unten vor der Helge lag die farbbekleckste Malerjolle der Schiffswerft.
Die wollten wir uns ausleihen. Harald ging in die Knie und fluchte: »Sie ist angeschlossen. Heutzutage hat wirklich niemand mehr Vertrauen, alles muss niet- und nagelfest gemacht werden. Es kann doch für die kommende Generation nicht gut sein mit anzusehen, wie die Eltern alles an sich raffen und ums goldene Kalb tanzen.«
Er zog die Jolle heran, hob die Trosse mit dem Schloss an und schlug sie gegen den Ring, in dem das Ende festsaß. Der Nebel trug das dröhnende Metallgeräusch weit über die Stadt. Jedenfalls kam es mir so vor, aber hinterher war es genauso still wie vorher.
Das Schloss war kaputt, Harald murmelte etwas von modernem Plunder, der nicht mehr wert sei als ein altes Holzschloss, und sprang in die Jolle. Ich folgte ihm.
Das Boot war kein färöisches, sondern von der breiteren Sorte, wie man sie überall in Skandinavien sehen kann, mit Dollen und schweren, plumpen Rudern. Aber zweifellos konnte man darin besser stehen und malen als in einem schlanken färöischen Boot. Harald ruderte langsam die wenigen hundert Meter bis Bryggjubakki und ich saß im Vordersteven und starrte in den Nebel, der so dick war, dass wir nicht auf die andere Seite des Wasserlochs sehen konnten. Vorsichtig glitten wir an den Bootsstegen vorbei und allmählich kam die Eva zum Vorschein. Masten und Bugspriet nahmen Form an und aus den vier Bullaugen in der hinteren Hälfte des Schiffes schien Licht.
Es war niemand an Deck, und auch der Teil des Kais, der zu unserer Nebelwelt gehörte, lag verlassen da. Außerhalb dieser kleinen Welt schien nichts mehr zu existieren.
Harald führte die plumpen Ruder, als wären es Präzisionswerkzeuge, und das Boot glitt lautlos durch das Wasser, nicht einmal das Knirschen der Dollen war zu hören. Die Ruderblätter tauchten so leise ins Wasser und wurden ebenso leise wieder herausgeholt, dass man glauben konnte, der Filmton wäre kaputtgegangen und würde bald mit Getöse und Gezische wieder einsetzen, doppelt so laut wie vorher. An Bord eines Bootes erschien mir der große und scheinbar plumpe Clubwirt wie ein Balletttänzer, der seine Kunst vollkommen beherrscht.
Der Schoner lag mit dem Achtersteven zur Stadt, deshalb ruderten wir eng am Kai entlang hinter ihn und dann ganz unters Heck. Ich ergriff den Handlauf und hielt uns vom Schiffskörper auf Abstand, während ich uns gleichzeitig weiter daran entlangzog.
Das Licht aus den Bullaugen strahlte in den milchigen Nebel und betonte dessen wogende Bewegungen. Wie der Rauch im Scheinwerfer eines Filmprojektors wogte er hoch, runter und zu allen Seiten und ließ ein lebendiges Bild entstehen, das ohne Steuerung und klare Logik erschien.
Ungefähr einen Meter von dem hintersten Bullauge entfernt ließ ich unsere Jolle zur Ruhe kommen. Ich wollte nicht zu nahe an den Lichtkegel heran, aus Furcht, dass dort drinnen jemand mich entdecken könnte. Aber näher kommen musste ich trotzdem, denn aus diesem schiefen Winkel heraus sah ich gar nichts. Harald hatte die Ruder eingezogen, sich umgedreht und sah mich nun fragend an, aber ich legte einen Finger an die Lippen, worauf er schwieg.
Abgesehen vom Tuten des Nebelhorns gab es kein Geräusch. Keine Autos, kein Plätschern, nichts aus dem Innern des Schiffes. So vorsichtig und langsam ich nur konnte, hangelte ich uns ein kleines Stückchen näher, und nun war es möglich hineinzusehen.
Es war ein geräumiger Salon, in dem an nichts gespart worden war. Die Wände waren aus dunklem Mahagoni und in Meterabstand hingen glänzende Messinglampen. Der Boden war von einem großen, dunkelroten Perserteppich bedeckt und unter dem Bullauge auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Chesterfieldsofa mit kleinen Tischchen zu beiden Seiten. Gleich neben dem Bullauge, durch das ich schaute, stand ein Ledersessel. Daneben sah ich auf das Ende eines etwas größeren Tisches mit erhöhter Kante, auf dem Flaschen und Gläser standen. Im vorderen Teil des Salons gab es eine Tür, neben ihr war ein Fernseher installiert und darunter verschiedene Apparate. Sicher Video oder so etwas Ähnliches. Drei Männer waren im Salon. Der, mit dem ich gesprochen hatte, saß auf dem Sofa, rauchte eine Zigarre und las in einer
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