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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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ausländischen Zeitung. Den Namen konnte ich nicht erkennen. Mit dem Rücken zu mir saß der Weißhaarige mit einem Glas in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand. Einer der Blonden stand und schaute durch ein Bullauge auf der Kaiseite. Der Leibwächter trug die gleiche Kleidung wie vor einigen Tagen, vielleicht besaß er nur dieses eine T-Shirt, während die beiden Älteren dunkle Anzüge trugen. Der Mann, der knapp einen Meter von mir entfernt saß, hatte eine goldene Krawattennadel mit Perle. Man konnte sagen, dass sie herausgeputzt wie für eine Beerdigung waren, und ich wusste nur zu gut, an wessen Beerdigung sie dabei dachten. Wo wohl der vierte war? Denn ich glaubte nicht, dass es mehr als vier waren. Harald hatte auch nie mehr gesehen. Ich musste näher heran, um besser beobachten zu können, auch wenn die Gefahr, entdeckt zu werden, dadurch noch größer wurde. Aber wenn aus unserem Ausflug nicht mehr herauskommen würde, war alles vergebens gewesen.
    Ich hangelte uns näher, sodass ich durch eines der mittleren Bullaugen schauen und auch Harald etwas sehen konnte. Aber Neues gab es nicht zu entdecken, außer dass es eine weitere Tür am hinteren Ende des Salons gab. Kein vierter Mann. Wo um alles in der Welt konnte er sein? In den vorderen Bullaugen war kein Licht, vielleicht schlief er dort irgendwo. Oder er war in der Stadt. Ich fühlte mich unsicher, ich war absolut nicht begeistert von dem Gedanken, dass sich eine sadistische Gestalt außerhalb unseres Gesichtskreises herumtreiben könnte. Eine Zeit lang geschah im Salon gar nichts. Der Brillenmann durchblätterte die Zeitung und in regelmäßigen Abständen produzierte er blauen Zigarrenrauch. Der Weißhaarige rauchte und trank und der Leibwächter sah zum Kai hinüber. Niemand bewegte sich, keiner durchbrach die Stille.
    Auf diese Art und Weise würden wir nichts erfahren, und mein rechter Arm, der unser Boot vom Schiffskörper fern hielt, begann, müde zu werden, als der junge Blonde sich ein Stück zur Seite bewegte, sodass ich die Wand hinter ihm sehen konnte. Ein Schauer durchlief mich. Dort hingen zwei Schwarz-Weiß-Fotos, etwa fünfzehn mal zwanzig Zentimeter groß, und auch auf die Entfernung von fünf Metern erkannte ich die Männer sofort.
    Der eine war unverkennbar Albert Kesselring, in heller Uniform und mit einem Lächeln, der andere war Herbert Kappler. Kappler lächelte nicht, sondern starrte in die Augen des Betrachters, in schwarzer SS-Uniform, an der Mütze den Totenkopf und die gekreuzten Knochen. Das war endlich die Bestätigung dafür, dass die Erklärung für alles, was in letzter Zeit geschehen war, in Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg und den Ereignissen in Italien stand, wo die beiden ihre Verbrechen begangen hatten. Die Männer an Bord rechneten offenbar nicht damit, dass die Fotos an der Wand ihnen schaden könnten, sonst hätten sie sie nicht aufgehängt. Aber ich hatte jetzt den Verdacht, dass eine gewisse Journalistin und ihr Freund in dieser Beurteilung nicht der gleichen Meinung gewesen waren. Von ihrem jetzigen Aufenthaltsort aus konnten sie nicht protestieren, sie hatten höchstens die Erlaubnis, ein wenig zu spuken.
    Hier durften wir nicht liegen bleiben, über kurz oder lang würde irgendjemand über uns stolpern und dann wäre der Teufel los. In dem Augenblick, als ich uns abstieß und Harald sich an die Ruder setzte, hörte ich jemanden an Bord kommen. Harald hörte es auch, bekam unser Boot jedoch nicht in Fahrt, weil er es gleichzeitig wenden musste. Wir waren erst eine Armlänge von der Eva entfernt, als ein Ruf erscholl.
    »Qué pasa?« Der vermisste Zwilling stand mitten auf dem Deck und sah alles andere als freundlich aus. Er beugte sich über eine Lukenkante und rief nach unten. Harald schnaufte, stöhnte und fluchte, aber endlich hatte er die Jolle gedreht und ruderte mit kräftigen Schlägen durch den Nebel Richtung Schiffswerft.
    Oben auf dem Schoner waren jetzt alle vier an Deck und sprachen leise miteinander. Der glatzköpfige Brillenmann deutete auf Skálatrøð und beschrieb mit seiner Hand einen Halbkreis nach Westen. Es war klar, was er im Sinn hatte, und die beiden Blonden, Hans und Günther, sprangen auf den Kai hinunter und verschwanden.
    »Die wollen versuchen, uns in Empfang zu nehmen, wenn wir auf der andere Seite ankommen«, sagte ich zu Harald, der jetzt das schwere Boot richtig in Fahrt gebracht hatte. Es knirschte in den Rudergabeln und schäumte vorm Bug, und der Schweiß

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