Endstation Färöer
Augenblick gekommen. Mein Hals wurde trocken, aber das spielte keine Rolle mehr, ich wusste sowieso nichts zu sagen.
Stangl spannte den Hahn und zielte auf mich. Ich erstarrte und wandte meine ganze Kraft an, um die Augen offen zu halten. Nie im Leben sollte er mich vor sich zittern sehen.
Stundenlang saßen wir so da. Stangl mit dem glänzenden Revolver und ich steif, den Blick auf das schwarze Loch gerichtet, aus dem der Tod kommen würde. Vielleicht waren es auch gar nicht Stunden, aber der Augenblick schien mir so lang, und als Stangl langsam Arm und Hahn entspannte, begriff ich gar nichts. Ich starrte immer noch auf die Stelle, wo das schwarze Loch gewesen war.
»Du hast es meinem Sinn für Humor zu verdanken, dass ich dich lieber hier sitzen lasse, als dich zu erschießen. So habe ich etwas, womit ich mich auf dem langen Weg zurück nach Südamerika unterhalten kann. Wie es wohl ist, in pechschwarzer Finsternis zu sitzen und zu wissen, dass es keine Möglichkeit gibt zu entkommen?«
Er lachte vor sich hin, dass es im U-Boot widerhallte. Mir hing noch das Echo in den Ohren, als er mit der Lampe die Leiter hinaufgegangen war und die Luke zugeworfen hatte.
Nie hatte ich gedacht, dass es so schwarz und still sein könnte.
46
Da saß ich also in einer Grotte angekettet wie in dem Lied von den Trollen auf Horneland. Bestimmt war Stangl kein König Olav und ich kein riesiger Troll, aber das Ergebnis war dasselbe. Aber ich konnte es nicht wie die Trolle damals machen:
Habt ihr gehört von den Trollen,
die im Horneland wohnen sollen?
Der lebte am längsten, der am stärksten war,
denn einer aß den anderen mit Haut und Haar.
Der Hunger begann sich zu melden, jetzt, da ich mutterseelenallein war. Schließlich hatte ich seit mehr als vierundzwanzig Stunden nichts Richtiges mehr zu essen bekommen. Außerdem war ich durstig, aber was sollte ich nur tun?
Ich setzte mich auf den Rand der Koje und riss an den Handschellen. Nichts rührte sich, der Tisch war festgebolzt, und das Einzige, was ich aus diesem Spektakel davontrug, waren steife Finger, weil jetzt noch weniger Blut in sie floss.
Im Film konnten sie manchmal die Handschellen knacken, aber ich hatte keinerlei Werkzeug, oder? Ich suchte in den Taschen. Die Brieftasche hatten sie mir nicht abgenommen. Dafür hatten sie keine Verwendung. Das Feuerzeug hatte ich auch noch, aber keine Zigaretten.
Das Feuerzeug! Also hatte ich Licht.
Ich zündete es an und die Flamme erhellte die gesamte Messe, aber die kannte ich ja, also löschte ich es wieder, um nichts zu verschwenden.
Mein Taschenmesser hatten sie auch nicht angerührt und in mir wuchs eine Hoffnung. Ich öffnete es und versuchte, in den Tisch zu schneiden, aber auch wenn die Tischplatte aus Holz war, dann war es doch kein Holz, das mein Messer bearbeiten konnte. Ich weiß nicht, ob ich mir vorgestellt hatte, den ganzen Tisch in Stücke zu schneiden und so freizukommen. Das würde mehrere Wochen dauern und bis dahin wäre ich tot.
Mit den Fingern untersuchte ich das Schloss der Handschellen, aber da war nur ein rundes Loch, zu klein für die Messerspitze. Ich weiß auch nicht, welchen Nutzen es gehabt hätte, wenn das Messer hineingepasst hätte. So einfach war es sicher nicht, sich zu befreien.
Erneut saß ich eine ganze Weile in der Dunkelheit und absoluter Stille und überlegte, dass es doch einen Ausweg geben musste. Aber je länger ich nachdachte, umso klarer wurde mir, dass das eine Auffassung war, die ich aus Filmen und Büchern hatte.
Bunte Blätter und Filme hatten mich während meiner Jugend verdorben und jetzt konnte ich mich nicht damit abfinden, dass es wirklich keinen Ausweg gab. In Die Minen des König Salomon wurden sie buchstäblich von einem Strom aus der Grotte gespült und Edmund Dantès in Der Graf von Monte Christo kam mithilfe der Leiche eines Abtes aus dem Gefängnis frei. Aber hier gab es weder Ströme noch tote Äbte, also musste ich es allein schaffen.
Ich versuchte noch einmal, den Tisch mit dem Messer zu bearbeiten, aber das brachte nichts, also aktivierte ich stattdessen wieder das Feuerzeug. Ich wollte die Situation voll und ganz erfassen.
In meiner Reichweite gab es nichts, was ich benutzen konnte, meine einzigen Hilfsmittel waren also Feuerzeug und Taschenmesser. Die Bolzen im Boden waren groß und saßen wie reingeschossen. Mit der Eisenstange war auch nichts zu machen. Blieb noch der Tisch selbst und die Stange, an der er befestigt war.
Ich setzte mich
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