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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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spielt eine unbedeutende Rolle in der Gesellschaft und ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Häufig ist er ein Scheidungskind oder elternlos und hatte eine emotional verarmte Kindheit. In den meisten Fällen hat er vorher noch keine schwerwiegende kriminelle Handlung begangen.«
    Er blickte auf und sagte:
    »Die Textpassage basiert auf einer Zusammenstellung von Fakten, die bei den psychiatrischen Untersuchungen erhoben wurden.«
    »So ein Massenmörder muss doch total plemplem sein«, sagte Gunvald Larsson. »Merkt man davon nichts, bevor er losrennt und einen Haufen Menschen umbringt?«
    »Ein Mensch, der ein Psychopath ist, kann vollkommen normal wirken, bis irgendetwas passiert, das seine Abnormität auslöst. Psychopathie heißt, dass ein oder mehrere Charakterzüge des Betreffenden abnorm entwickelt sind, während er ansonsten völlig normal ist, was Begabung, Arbeitsfähigkeit und so weiter betrifft. Die meisten dieser Menschen, die plötzlich einen Massenmord begangen haben, völlig von Sinnen und scheinbar ohne jedes Motiv, werden auch von ihren nächsten Angehörigen als rücksichtsvoll, lieb und wohlgeraten und als die letzten Menschen auf Erden beschrieben, denen man eine solche Tat zugetraut hätte. Mehrere Täter bei diesen amerikanischen Fällen haben erzählt, dass sie sich über einen längeren Zeitraum hinweg ihrer Krankheit bewusst gewesen sind und versucht haben, die destruktiven Tendenzen zu unterdrücken, bis sie ihnen schließlich doch nachgegeben haben. Ein Massenmörder kann an Verfolgungs oder Größenwahn oder unter krankhaften Schuldkomplexen leiden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass er als Grund für sein Verhalten angibt, einfach bekannt werden und große Schlagzeilen in den Zeitungen bekommen zu wollen. Fast immer stecken Geltungsdrang und Rachsucht hinter der Tat. Der Täter fühlt sich unterschätzt, missverstanden und schlecht behandelt. In den allermeisten Fällen hat er große sexuelle Probleme.«
    Nach Melanders Vorlesung wurde es still im Raum. Martin Beck starrte aus dem Fenster. Er war blass und hohläugig, und sein Rücken war noch krummer als sonst. Kollberg saß auf Gunvald Larssons Schreibtisch und hakte dessen Büroklammern zu einer langen Kette zusammen. Gunvald Larsson zog gereizt die Schachtel mit den Klammern zu sich heran. Kollberg brach das Schweigen.
    »Wisst ihr, dieser Whitman, der einen Haufen Menschen vom Universitätsturm in Austin erschossen hat«, sagte er. »Ich habe gestern ein Buch über ihn gelesen, in dem ein österreichischer Psychologieprofessor erklärt, seine sexuellen Probleme hätten darin bestanden, dass er eigentlich mit seiner Mutter schlafen wollte. Statt sie mit seinem Phallus zu durchbohren, schreibt er, hat er sie mit dem Messer erstochen. Ich habe zwar nicht Fredriks Gedächtnis, aber der letzte Satz in dem Buch lautete wortwörtlich so: Dann bestieg er den aufragenden Turm - ein offensichtliches Phallussymbol - und ergoss seinen tödlichen Samen gleich Liebespfeilen auf Mutter Erde.« Mänsson betrat mit seinem unvermeidlichen Zahnstocher im Mundwinkel den Raum.
    »Um Himmels willen, worüber redet ihr denn hier?«, fragte er.
    »Der Bus ist vielleicht eine Art Sexualsymbol«, erwiderte Gunvald Larsson nachdenklich.
    »Wenn auch horizontal.«
    Mänsson glotzte ihn an.
    Martin Beck stand auf, ging zu Melander und nahm das grüne Heft an sich.
    »Ich leih mir das mal aus und lese es mir in aller Ruhe durch«, sagte er. »Ohne geistvolle Kommentare.«
    Er ging zur Tür, wurde jedoch von Mänsson aufgehalten, der den Zahnstocher aus dem Mund nahm und sagte:
    »Was soll ich als Nächstes tun?«
    »Keine Ahnung. Frag Kollberg«, sagte Martin Beck kurz angebunden und verließ den Raum.
    »Du kannst mit der Pensionswirtin dieses Arabers reden«, sagte Kollberg. Er schrieb Namen und Adresse auf einen Zettel, den er Mänsson reichte.
    »Was ist denn mit Martin?«, fragte Gunvald Larsson. »Warum ist er so sauer?«
    Kollberg zuckte mit den Schultern.
    »Er wird seine Gründe haben«, meinte er.
    Mänsson benötigte eine gute halbe Stunde, um im Stockholmer Straßenverkehr den Weg zur Norra Stationsgatan zu finden. Als er den Wagen gegenüber der Haltestelle des 47er Busses parkte, war es wenige Minuten nach vier und bereits dunkel. Es gab zwei Mieter namens Karlsson in dem Haus, aber Mänsson hatte keine Mühe herauszufinden, um welchen Mieter es ging-An der Tür hingen mit Heftzwecken befestigt acht Kärtchen. Zwei von ihnen waren gedruckt,

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