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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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sagte er. »170 Kronen in der Woche. Bin Staplerfahrer. Vorher ich arbeite in Restaurant und nicht verdiene so gut.«
    »Wissen Sie, ob Mohammed Boussie Verwandte hatte?«, erkundigte sich Mänsson. »Eltern oder Geschwister?« Der Türke schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich weiß nicht. Wir waren sehr Freunde, aber Mohammed nicht viel gesagt. Er war sehr ängstlich.« Mänsson stand am Fenster und betrachtete eine kleine Traube verfrorener Menschen, die an der Endstation auf den Bus wartete. Er drehte sich um. »Ängstlich?«
    »Nicht ängstlich. Wie heißt das? Ja, schüchtern.«
    »Schüchtern, aha«, sagte Mänsson.
    »Wissen Sie, wie lange er hier gewohnt hat?«
    Der Türke setzte sich auf die Liege zwischen den Fenstern und schüttelte den Kopf.
    »Nein, weiß nicht. Ich letzten Monat hergekommen, und Mohammed wohnte da schon hier.«
    Mänsson schwitzte in seinem dicken Mantel. In der Luft schienen die Ausdünstungen aller acht Zimmerbewohner zu hängen. Mänsson sehnte sich intensiv nach Malmö und seiner schmucken Wohnung in der Regementsgatan. Er zog seinen letzten Zahnstocher aus der Tasche und sagte: »Wann kommt Frau Karlsson?« Der Türke zuckte mit den Schultern.
    »Weiß nicht«, sagte er. »Bald.«
    Mänsson steckte den Zahnstocher in den Mund, setzte sich an den runden Tisch und wartete.
    Eine halbe Stunde später warf er die Reste des zerkauten Zahnstochers in den Aschenbecher. Zwei weitere Untermieter Frau Karlssons waren mittlerweile eingetroffen, die Zimmerwirtin selbst glänzte jedoch durch Abwesenheit. Die Neuankömmlinge waren die beiden Spanier, und da ihr schwedischer Wortschatz ausgesprochen dürftig war und Mänssons spanischer Wortschatz gegen null tendierte, gab er den Versuch, sie zu vernehmen, schon bald auf. Er fand lediglich heraus, dass sie Ramon und Juan hießen und als Tellerwäscher in einem Grillrestaurant arbeiteten.
    Der Türke hatte es sich auf der Liege bequem gemacht und blätterte träge in einer deutschen Illustrierten. Die Spanier führten ein lebhaftes Gespräch, während sie sich für die abendlichen Vergnügungen umzogen, die offenbar eine junge Frau namens Kerstin einschlossen, um die ihre Diskussion zu kreisen schien.
    Mänsson schaute immer wieder auf die Uhr. Er hatte beschlossen, keine Minute länger als bis halb sechs zu warten. Zwei Minuten vor halb sechs kam Frau Karlsson. Sie platzierte Mänsson auf ihrer feinen Couch, servierte Portwein und erging sich in einer Litanei über ihr Leid als Vermieterin.
    »Es ist wirklich nicht angenehm für eine arme, einsame Frau, das Haus voller Männer zu haben«, sagte sie. »Noch dazu Ausländer. Aber was soll eine arme, mittellose Witwe machen?«
    Mänsson stellte auf die Schnelle eine Überschlagsrechnung an. Fast 3000 Kronen kassierte die mittellose Witwe jeden Monat an Miete.
    »Dieser Mohammed«, sagte sie. »Er schuldete mir noch eine Monatsmiete. Könnten Sie eventuell dafür sorgen, dass ich sie bekomme? Er hatte doch sicher noch Geld auf der Bank.« Auf Mänssons Frage, welchen Eindruck Mohammed auf sie gemacht habe, antwortete sie:
    »Für einen Araber war er richtig nett. Die sind ja sonst immer so schmutzig und unzuverlässig. Aber er war freundlich und still und machte einen gepflegten Eindruck, er trank nicht, und ich glaube auch nicht, dass er eine Freundin hatte. Aber wie gesagt, er hat seine letzte Monatsmiete nicht bezahlt.« Es stellte sich heraus, dass sie sich ziemlich gut im Privatleben ihrer Mieter auskannte. Ramon war tatsächlich mit einer Schlampe namens Kerstin zusammen, aber über Mohammed konnte sie nicht viel berichten.
    Er hatte eine verheiratete Schwester in Paris. Sie schrieb ihm regelmäßig Briefe, aber da sie auf Arabisch waren, blieben sie völlig unlesbar.
    Frau Karlsson holte einen Stapel Briefe und übergab sie Mänsson. Name und Adresse der Schwester standen auf dem Umschlag.
    Die gesamte irdische Habe Mohammed Boussies war in eine Reisetasche aus Segeltuch gepackt worden. Auch die nahm Mänsson mit.
    Frau Karlsson erinnerte ihn nochmals an die ausstehende Miete, ehe sie die Wohnungstür hinter ihm zuschlug. »Das war mir ja vielleicht eine grauenvolle Schabracke«, murmelte Mänsson in sich hinein und stieg die Treppen zur Straße und zu seinem Auto hinab.

19
    Montag. Schnee. Wind. Saukalt. »Guter Loipenschnee«, sagte Rönn.
    Er stand am Fenster und ließ den Blick verträumt über Straße und Häuserdächer schweifen, die in dem treibenden weißen Schleier nur mit Mühe und Not

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