Endstation für neun
überzeugt, dass die Spitzel recht hatten, wenn sie sagten, dass kein Mensch etwas wusste.
Vieles sprach dafür, dass es so war. Niemandem konnte vernünftigerweise daran gelegen sein, diesen Verbrecher zu schützen.
»Abgesehen von ihm selbst«, erklärte Gunvald Larsson, der eine Schwäche für überflüssige Bemerkungen hatte. Im Großen und Ganzen konnte man nicht mehr tun, als mit dem Material zu arbeiten, das ihnen bereits vorlag. Versuchen, die Tatwaffe aufzutreiben, und weiterhin alle vernehmen, die auf irgendeine Art mit den Opfern in Verbindung standen. Diese Befragungen wurden inzwischen von frischen Kräften übernommen, nämlich von Mänsson und einem Ersten Kriminalassistenten namens Nordin aus dem nordschwedischen Sundsvall. Gunnar Ahlberg hatte man nicht von seiner Dienststelle loseisen können. Was letztlich keine Rolle spielte, da alle mehr oder weniger überzeugt waren, dass diese Vernehmungen ohnehin nichts bringen würden.
Die Stunden schleppten sich ereignislos dahin. Tag reihte sich an Tag. Zusammen bildeten die Tage eine Woche und danach eine weitere.
Es war wieder einmal Montag. Man schrieb den 4. Dezember, den Namenstag aller, die Barbro hießen. Es war kalt und windig, und die vorweihnachtliche Hetze wurde immer schlimmer. Die Verstärkungen ließen den Kopf hängen und sehnten sich heim, Mänsson nach dem milden Klima in Südschweden und Nordin nach dem reinen, frischen, nordschwedischen Winter. Keiner der beiden war an das Leben in einer Großstadt gewöhnt, und beide fühlten sich in Stockholm nicht wohl. Ihnen ging so manches auf die Nerven, vor allem die Hetze, das Gedrängel und die unfreundlichen Menschen. Als Polizisten irritierte sie zudem die Verrohung der Sitten und die wild florierende Kleinkriminalität.
»Ich begreife nicht, wie ihr Jungs es in dieser Stadt aushaltet«, sagte Nordin.
Er war ein untersetzter, glatzköpfiger Mann mit buschigen Brauen und blinzelnden braunen Augen. »Wir sind hier geboren«, sagte Kollberg. »Haben nie etwas anderes gesehen.«
»Ich bin gerade mit der U-Bahn gekommen«, sagte Nordin.
»Allein zwischen Alvik und Fridhemsplan habe ich mindestens fünfzehn Personen gesehen, die sich die Polizei bei uns in Sundsvall auf der Stelle geschnappt hätte.«
»Wir haben zu wenig Leute«, meinte Martin Beck.
»Ja, ich weiß, aber…«
»Aber was?«
»Ist euch das schon mal aufgefallen? Die Leute hier haben Angst. Ganz normale, anständige Menschen. Wenn man sie nach dem Weg fragt oder um ein Streichholz bittet, rennen sie einem fast weg. Sie fürchten sich ganz einfach, fühlen sich nicht sicher.«
»Wer tut das schon«, sagte Kollberg.
»Ich«, erwiderte Nordin. »Normalerweise jedenfalls. Aber mir wird es bald bestimmt genauso gehen. Habt ihr was für mich?«
»Wir haben einen kuriosen Hinweis hereinbekommen«, sagte Melander.
»Worum geht's?«
»Um den nicht identifizierten Mann aus dem Bus. Eine Frau aus Hagersten hat angerufen und gesagt, sie wohne neben einer Garage, in der Ausländer herumhängen.«
»Aha. Na und?«
»Es geht da wohl immer ziemlich wüst zu. Sie hat natürlich nicht das Wort wüst benutzt. Laut, hat sie gesagt. Einer der lautesten sei ein kleiner, dunkelhaariger Kerl von etwa fünfunddreißig Jahren. Seine Kleidung passe einigermaßen zu der Beschreibung in den Zeitungen, hat sie gesagt, und jetzt hat sie ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
»Es gibt doch Zehntausende, die so angezogen sind«, sagte Nordin skeptisch.
»Ja«, sagte Melander. »Das ist richtig. Und der Hinweis ist mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit wertlos. Die Informationen sind so vage, dass es im Grunde nichts zu überprüfen gibt. Außerdem machte sie auf mich einen sehr unsicheren Eindruck. Aber wenn du ohnehin nichts anderes zu tun hast…«
Er beendete den Satz nicht, kritzelte Namen und Adresse der Frau auf den Notizblock und riss das Blatt ab. Das Telefon klingelte, und er griff zum Hörer, während er gleichzeitig den Zettel überreichte. »Bitte sehr«, sagte er.
»Das kann doch kein Mensch lesen«, sagte Nordin. Melanders Handschrift war krakelig und, wohlwollend aus gedrückt, schwer zu entziffern. Tatsächlich war sie für Außenstehende unlesbar. Kollberg nahm den Zettel und betrachtete ihn.
»Keilschrift«, sagte er. »Eventuell auch Althebräisch. Wahrscheinlich war es Fredrik, der die Schriftrollen von Qumran verfasst hat. Obwohl, so viel Humor hat er nicht. Jedenfalls bin ich die Koryphäe unter den
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