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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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ihren Auftritt und die verdrehten Köpfe augenscheinlich mächtig. Hundemüde ging ich nach oben auf meinen Balkon. Eine Holzbank einer Biertischgarnitur diente mir als Bett. Ich schlief tatsächlich fünf Stunden am Stück. Mein Körper dankte es mir, nur mein Rücken protestierte heftig.
    Am nächsten Tag hatten wir mal wieder Besuch. Morgens um Viertel nach acht standen zwei Oberfeldwebel auf der Matte, eine nette Abwechslung. Obwohl wir einfach zu viert in unserem stinkenden, stickigen Zimmer saßen und belangloses Zeug plauderten, entspannte ich mich merklich. Aber nicht sehr lange. Denn plötzlich platzte ein Alarmfunkspruch in das gesellige Zusammensein. Wir hörten, dass eine Patrouille bei der Zufahrt auf das Interconti mit ein paar Afghanen zusammengerasselt sei. Soweit wir dem Funkspruch entnehmen konnten, spitzte sich die Lage sekündlich zu und der Einsatz von Schusswaffen stand kurz bevor. Alle vier schmissen wir uns unsere Ausrüstung über und rannten los zu unseren Fahrzeugen. Schon nach knapp einer Minute waren wir vor Ort an der Hoteleinfahrt, die circa 400 Meter vom Haupteingang entfernt lag.
    Ein Tohuwabohu erster Güte spielte sich auf der Straße vor uns ab. Ein wild aussehender Haufen von gut sechzig Afghanen stand einer etwa zehnköpfigen deutschen Patrouille Fallschirmjäger gegenüber. Gerade wurden langsam, aber sicher auf beiden Seiten die Waffen in die Höhe genommen, es wurde also richtig brenzlig. Hinterher erfuhren wir, wie die Situation so eskalieren konnte. Die deutsche Patrouille war von vier Afghanen mit Waffen bedroht worden, woraufhin die Deutschen sie entwaffneten und vorläufig festnahmen. Dummerweise wusste die Patrouille nicht, dass sich unter den Festgenommenen auch Angehörige eines afghanischen Politikers befanden. Als sogleich afghanische Polizei und Militär hinzueilten, nahmen die sofort ihre Waffen gegen die ISAF-Patrouille in Anschlag und schrien, was das Zeug hielt. Ein allseits probates Mittel zur Konfliktlösung in diesem Land.
    Wir vier saßen ab und rannten durch die Menge in die Mitte dieses Kreises, wo die Fallschirmjäger der Patrouille standen. Das Zahlenverhältnis stand zu diesem Zeitpunkt etwa 1:5 gegen die deutsche Patrouille. Ich suchte mir einen relativ gelassen aussehenden deutschen Soldaten als Buddy aus und stellte mich Rücken an Rücken mit ihm, meine Waffe im Low Ready, also mit der Mündung nach unten. Die vier festgenommenen Afghanen heizten die Situation zusätzlich an. Sie lagen, gefesselt mit Kabelbindern, auf dem Boden und brüllten, was das Zeug hielt, auf ihre verbündeten Polizisten und Militärs ein. Sollte jetzt jemand anfangen zu schießen, bricht das totale Chaos aus, dachte ich mir. Durch das ungünstige Kräfteverhältnis hätten wir keine Chance gehabt.
    Alex begann mit Verhandlungen. Was mehr als schwierig war, wegen der Hektik und ganzen Schreierei um uns herum. Immerhin begann der afghanische General nun auch beruhigend auf die erhitzten Gemüter seiner Untergebenen einzuwirken, sodass der Geräuschpegel niedriger und ein Gespräch möglich wurde. Die Verhandlungen, so erschien es mir, zogen sich endlos dahin. In Wirklichkeit waren keine vier Minuten vergangen. Ein chinesisches Presseteam hatte sich mittlerweile am Straßenrand postiert und fing an zu filmen, was die Lage nicht unkomplizierter machte. Der afghanische General guckte nervös zwischen Alex und der Kamera hin und her. Bei der Menschenmenge und diesem Lärmpegel grenzte es wirklich an ein Wunder, dass noch kein einziger Schuss gefallen war. Das lag vielleicht auch daran, dass inzwischen die deutsche Quick Reaction Force aus dem Camp angesaust gekommen war. Die müssen geflogen sein, durch dieses Verkehrsgewühl in der Innenstadt. Die etwa fünfzehn Kollegen von der schnellen Eingreiftruppe stellten ihren Dingo quer und schwenkten das Maschinengewehr in Richtung der Afghanen, worauf die Waffen der Afghanen noch ein bisschen höher gingen.
    Der afghanische General und Alex standen nun zwischen den waffenstarrenden Reihen. Etwa dreißig Deutsche auf der einen, inzwischen an die hundert Afghanen auf der anderen Seite. Trotzdem schafften die beiden es, dass die gefährliche Situation sich sehr, sehr langsam entspannte. Dann von beiden die entscheidende Gesten zu ihren Männern: Waffen runter. Die Mündungen sanken langsam Richtung Boden. Erst jetzt wurde mir die Situation im Ganzen bewusst. Wir hatten nur Millimeter vor der Katastrophe gestanden. Alex hatte uns mit

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