Endstation Kabul
Ehrenrühriges. Die beiden Offiziere sagten, sie wollten auf jeden Fall weiter mit mir zusammenarbeiten, und ich stimmte zu.
Ich saß noch in der Lobby und hatte mir gerade eine Zigarette angesteckt, als plötzlich das laute Knattern von Maschinengewehren zu hören war. Ein Dingo der Bundeswehr, der zur Sicherung des Eingangsbereichs eingesetzt war, hatte eine Fehlfunktion und gab einen Feuerstoß von sechs Schuss ab – mitten auf dem Vorplatz des Hotels, der zu diesem Zeitpunkt voller Menschen war, Reporter, Delegierte, Polizei und Militär. Dass dabei niemand zu Schaden kam, war das zweite Wunder in so kurzer Zeit, das ich erlebte. Die afghanischen Sicherheitskräfte waren leider alles andere als souverän. Sie verstärkten die Panik sogar, indem sie wild mit ihren Waffen gestikulierten und in den Eingangsbereich des Hotels stürmten. Auch eine Menge Zivilisten suchten panisch Schutz im Hotel und drängten in die Lobby. Mein »kleiner Freund«, der Hotelportier, versuchte fast alleine, dieses Ansturms Herr zu werden. Er warf sich wie ein Wellenbrecher in die heranbrandende Menschenmenge und steckte dabei saftige Prügel ein. Ich zog ihn am Kragen aus dem Gewühl vor dem Eingangsbereich und versuchte nun selbst, die Tür zu decken. Das war nicht ganz einfach, denn sechs Afghanen in Zivil, allerdings bewaffnet, versuchten in das Hotel zu drängen. Das gefiel mir gar nicht. Wenn sich im Handgemenge ein Schuss löste, wäre das Chaos komplett. Außerdem versuchten die sechs Afghanen, den Presseleuten die Kameras herunterzuschlagen und deren Filme zu bekommen. Ich habe keine Ahnung, ob die sechs zum Geheimdienst gehörten oder Personenschützer für irgendeinen VIP waren, jedenfalls trugen sie maßgeblich zur Eskalation bei.
Ich wollte die chaotische Lage in den Griff bekommen und vor allem verhindern, dass die sechs Unbekannten mit ihren Waffen ins Hotel drängten. Ich rief »No weapons« und deckte mit meinem Körper die Eingangstür. Zum Dank bezog ich nun die Prügel meines Lebens. Niemals davor und niemals wieder danach wurde ich so verdroschen wie an diesem Tag. Die sechs Männer versuchten mit aller Gewalt, ins Hotel einzudringen, was ich unbedingt verhindern wollte. Wie die Bekloppten prügelten sie mit ihren Schulterstützen und Gewehrmündungen auf mich ein. Bauch, Rücken und auch mein Kopf bekamen einiges ab. Ich ging dazu über, lediglich meine Position vor dem Eingang zu halten und, so gut es eben ging, meinen Körper und vor allem meinen Kopf zu schützen. Was leider nichts nützte.
Am nächsten Tag sollte mein Oberkörper in allen Farben des Regenbogens schillern von dieser Schlagkanonade. Zum Glück kamen sehr schnell die eingesetzten Fallschirmjäger zur Sicherung des Hotels und halfen mir dabei, die Situation in den Griff zu bekommen. Langsam wurden wir Herr der Lage und ließen die Draußenstehenden einen nach dem anderen herein. Auch die sechs Afghanen. Zähneknirschend verteilte ich Zigaretten an diese Brüder, die mich gerade zusammengeschlagen hatten, um die aufgeheizte Stimmung abzukühlen. Am liebsten hätte ich mir jeden von ihnen einzeln geschnappt. Das Motto »Auge um Auge, Zahn um Zahn« schwebte mir verführerisch durch den Sinn. Aber vernünftig, wie ich bin, ließ ich das natürlich bleiben. Völlig zerschlagen und mit Kopfschmerzen, die von einem anderen Stern zu kommen schienen, wollte ich mich einfach nur hinlegen und ein bisschen ausruhen.
Doch daraus wurde erst mal nichts. Denn schon quakte mein Funkgerät los, ich solle mich umgehend in die OPZ begeben. Kaum war ich durch die Tür, ging es auch schon los: Was mir denn einfiele, ob ich nichts, aber auch gar nichts richtig machen könne, wurde mir an den brummenden Schädel geworfen. Ich stand nur da und wusste nicht, was los war. Fast hätte ich mich umgedreht, um nachzusehen, ob irgendjemand hinter mir stand, dem diese Schimpftirade gelten könnte. Aber da war niemand. Für eine Rechtfertigung meinerseits fehlte mir die Kraft. Bringt ja eh nichts, dachte ich mir nur. Keiner der »Helden« hier in der OPZ hatte auch nur seinen Kopf aus der Tür gestreckt, als die Schüsse des Maschinengewehrs vor dem Hotel losgingen. Müde lächelnd und gegen meinen Brechreiz ankämpfend nickte ich nur und sagte: »Jawoll, verstanden!« an den richtigen Stellen. Dann meldete ich mich zackig ab, wobei mir beim Grüßen fast der Kopf abgefallen wäre – zumindest fühlte es sich so an. Ich sah zu, dass ich in meinen Ruheraum kam. Durchgeschwitzt
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