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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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dass ich Lehrgänge wie Soldaten vom KSK absolviert hatte und noch dazu ausgebildeter Berufshubschrauberpilot bin. Das schien ihn nicht nur zu beeindrucken, sondern ihm auch prima ins Konzept zu passen. Ein Kommando-Team mit acht bis zehn Soldaten wird nämlich je nach Auftrag und Anforderungen zusammengestellt. Jemand mit medizinischen Kenntnissen, ein sogenannter »Combat Medic«, ist eigentlich immer dabei, dann gibt es noch Experten für Funk, Sprengstoff und immer zwei Scharfschützen, der Teamführer ist für die Taktik zuständig. Ein Berufshubschrauberpilot fehlte ihm noch in der Riege, und dementsprechend freute sich der Major über den Zugewinn an Fähigkeiten in seiner Truppe.
    Der nächste Punkt auf der Liste war der sogenannte ID-Rep, der »Identification Report«. Ich wurde erst mal fotografiert: frontal und von der Seite, wie bei Sträflingen. Aus der Zahnkartei wurde mein Gebissabdruck dazugelegt, und dann wurden noch meine Fingerabdrücke abgenommen. Ich fühlte mich wie ein Schwerverbrecher kurz vor dem Gang ins Gefängnis! Natürlich gab es einen ernsten Hintergrund für diese ganzen Maßnahmen. Falls mir etwas passieren sollte, könnte ich aufgrund dieser Informationen identifiziert werden. Auch meine allgemeinen Daten wie Körpergröße, Gewicht und Augenfarbe wurden ergänzt. Zum Schluss musste ich mir drei persönliche, unverwechselbare Sätze einfallen lassen. Sätze, die streng geheim gehalten werden und nur im ID-Rep stehen. Der erste, der mir einfiel, war: »Ich habe eine Katze mit einer weißen Nase.« Diesen Satz habe ich etliche Male als Codewort zur Identifizierung aufgesagt. Wenn wir von einem Einsatz irgendwo draußen in der Pampa mit Hubschraubern abgeholt wurden, mussten wir dem Mission Manager an der Rampe einen der drei festgelegten Sätze sagen. So sollte verhindert werden, dass im Eifer des Gefechts oder bei Nacht oder wenn das Team am Boden von feindlichen Kämpfern überwältigt worden war, jemand Falsches an Bord kommt.
    Am nächsten Morgen um 6.30 Uhr sollte ich mich wieder in der OPZ der Niederländer melden, um dem Team vorgestellt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt trafen alle Kommandomitglieder traditionellerweise zum morgendlichen Meeting zusammen. Sie tranken Kaffee, besprachen die verschiedenen Aufklärungsergebnisse vom Vortag und sahen sich auch die Nachrichten im Fernsehen an. Die allgemeine Weltlage ging bei manchen Soldaten etwas unter, da es keinen Zugang zu aktuellen Tageszeitungen gab. 28 hochqualifizierte und spezialisierte Kommandosoldaten plus drei deutsche Fernspäher saßen dort zusammen und warteten auf meinen Auftritt. Ich wurde wirklich nervös. Wie würden diese Vollprofis auf mich reagieren? Würde ich von ihnen auf- und angenommen werden?
    Meine Anspannung war auch aus einem anderen Grund größer als sonst. Der Tag, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte, war gekommen: Alex, meine allerwichtigste Bezugsperson, verließ das Land. Man nimmt sich für solche Abschiede immer eine Menge vor. Ein große Rede schwingen oder so. Als ich ihm dann gegenüberstand, konnte ich nur schlucken und ihm für zu Hause alles Gute wünschen. Ich hoffte, dass ich ihn bald wiedersehen würde. Meine Zukunft in diesem Land lag wie eine dunkle Straße vor mir. Mir war alles andere als klar, wie es ohne ihn weitergehen würde und ob ich »in die richtige Richtung fahre«. Gerade Alex hatte mir ja des Öfteren den richtigen Weg gewiesen, hatte mir gute Ratschläge gegeben und mich von seiner Erfahrung und Bodenständigkeit profitieren lassen. Zum ersten Mal im Camp fühlte ich mich alleine. Und das, obwohl mehr als 2500 deutsche Soldaten um mich herum waren. Ich hätte echt heulen können. Der Umstand, dass ich in knapp zwei Stunden 28 niederländischen Kommandosoldaten gegenüberstehen sollte, verbesserte meine niedergeschlagene Stimmung keineswegs. Alex klopfte mir auf die Schulter und meinte: »Wird schon, Achim! Das schaffst du auch ohne mich.« Danach stieg er in den Bus zum KIA und war weg.
    In der Wartezeit bis zu meiner Zusammenkunft mit den Niederländern rauchte ich eine ganze Schachtel Zigaretten. So nervös und unsicher war ich schon lange nicht mehr gewesen. Ich hatte regelrecht Prüfungsangst und hoffte, dass mir die richtigen englischen Vokabeln einfielen. Doch dann riss ich mich zusammen und trat meinen Gang zum Schafott an – zumindest fühlte es sich so an. Mein Empfang im Gemeinschaftsraum der OPZ war freundlich. Gut 30 Soldaten und Major Goulden

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