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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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voller Montur aus dem Wasser zogen, konnte auch ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Nass, wie ich war, legte ich mich mit meinem Team in den uns zugewiesenen Bereich und begann mit den Beobachtungen.
    Unterhalb meiner Stellung rührte sich etwas. Durch mein Nachtsehgerät erkannte ich an einem Pfosten neben einer kleinen Hütte einen angebundenen Esel, der friedlich vor sich hin graste. Diese Hütte stand genau an der Straße, die zu unserem Beobachtungsversteck hochführte. Wenig später stieß besagtes Grautier einen markerschütternden Schrei aus. Ein paar Sekunden später tauchten plötzlich zwei Personen aus dem Dunkel auf und liefen an dem Esel und der Hütte vorbei. Prima Alarmanlage!, dachte ich mir. Und tatsächlich: Wann immer jemand diese Straße entlangkam, plärrte der Esel sein gellendes »Iaaaah« in die Nacht. Wir hatten somit ganz unverhofft einen sehr effektiven zusätzlichen, vorgeschobenen Alarmposten.
    Nachdem sich alle auf ihren Plätzen eingerichtet hatten, wurde es sehr still und unsere eigentliche Aufgabe begann. Gut die Hälfte der Männer schlief, die andere Hälfte beobachtete. Vorher wurde noch eine Dipol-Antenne erstellt, um Radio Andernach zu hören. Es war eine laue Sommernacht mit beeindruckendem Sternenhimmel. Nie vorher und nie nachher habe ich einen so klaren Himmel mit Myriaden von Sternen gesehen. Zufrieden lag ich da. Über mein Headset konnte ich leise, sehr leise eine Sendung von Radio Andernach hören. Plötzlich ein Schlag, von hinten auf meine Stiefel. Ich zuckte mächtig zusammen. Was war denn jetzt schon wieder los?
    Irritiert drehte ich mich um. Dort standen grinsend alle Soldaten, die nicht zur Wache eingeteilt waren, und fingen leise an zu singen: »Hoch soll er leben« – auf Deutsch! Ich schaute auf meine Uhr: Mitternacht, und starrte die Jungs völlig entgeistert an. Diese total verrückte Gang brachte mir tatsächlich ein Geburtstagsständchen und hatte offensichtlich dieses deutsche Lied extra auswendig gelernt. Ich spürte, wie mir das Wasser in die Augen schoss. Das hatte ich noch nicht erlebt – und wahrscheinlich werde ich so etwas auch nie wieder erleben. Joris, mein Buddy mit dem übervollen Rucksack, löste sich aus der Gruppe und hatte eine Palette Bier auf dem Arm. Schon wieder musste ich sehr tief schlucken. Ich schleppte mich diesen Berg hoch, aus dem letzten Loch pfeifend – und er schleppte noch Zusatzgewicht mit, für mich! Eigentlich habe ich alles andere als nah am Wasser gebaut, aber an diesem Abend musste ich mich schwer zusammennehmen. Wir saßen im Kreis in der Dunkelheit und prosteten uns zu. Ich war sprachlos, konnte nichts mehr sagen – nur schlucken. Zehn Minuten später waren alle wieder auf ihren Posten. Ich legte mich auf meinen Schlafsack, um das alles erst mal zu verarbeiten.
    Eine Bewegung neben mir, zwischen meinem Rucksack und Schlafsack, ließ mich plötzlich zusammenzucken. Ich rollte mich vorsichtig zur Seite und griff nach meiner Taschenlampe, stellte Rotlicht ein und schob den Filter nach unten. In dem kleinen rötlichen Strahl erkannte ich eine Spinne, fast handtellergroß, keine 20 Zentimeter von mir entfernt. Reflexartig stach ich mit meinem Messer zu: getroffen! Schaudernd legte ich mich wieder hin, nicht ohne vorher meine gesamte Ausrüstung auf weiteren mehrbeinigen Besuch zu untersuchen. Ich fand zum Glück nichts. An Schlaf war allerdings in dieser besonderen Nacht, zumindest bei mir, nicht mehr zu denken. Gegen halb drei begann ich mit der Wache. Ich begab mich in die Wachposition und dokumentierte die Aufklärungsergebnisse bezüglich unseres Objekts. Major Goulden teilte sich meine Wache mit mir. Ich verstand die Geste so, wie sie gemeint war: als Wertschätzung mir gegenüber und als Geburtstagsgeschenk. Wir unterhielten uns leise. Kurz vor Beginn der Dämmerung brachen wir unsere Beobachtungen ab, um nicht selbst aufgeklärt zu werden. Aber das war auch okay. Wir hatten längst genug Ergebnisse rund um unser Objekt gesammelt. Wir kannten die Wege der Wachposten, allgemeine Bewegungen bei Nacht, und vor allem hatten wir durch unseren Marsch einen sehr guten Eindruck von dem Gelände erhalten. Zügig machten sich alle marschbereit, um den Rückweg anzutreten.
    Team 4.11 sollte absteigen und mit den Hubschraubern zurück zum KIA verlegen. Bewusst nahmen wir in Kauf, dass uns viele Leute dabei zusahen. Sollten sie sich ruhig Gedanken darüber machen, was wir in der Nacht in den Bergen gesucht hatten. Sollten

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