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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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was zwar unsere Kopfschmerzen linderte, in anderer Hinsicht aber eher gefährlich war: Falls jemand angeschossen würde, könnte die Blutung kaum gestillt werden, da Blut durch Aspirin sehr verdünnt wird.
    Als wir um eine Kurve fuhren, stand plötzlich ein Kamel vor uns, direkt auf der Piste. Panisch flüchtete es bergab, doch dann drehte es sich plötzlich um und ging zum Angriff auf unsere Fahrzeuge über. Mit so einem ausgewachsenen Kamel mit über 500 Kilo Kampfgewicht konnten wir und unsere Fahrzeuge es schlecht aufnehmen. Ein Soldat aus dem vorderen Fahrzeug schoss, das Kamel brach auf dem Weg zusammen. Da lag nun dieses große tote Tier und weckte Begehrlichkeiten. Wir hatten nämlich alle ganz schön Hunger. Und da wir alle in unserer Einzelkämpferausbildung das Töten, Zerlegen und Zubereiten von Tieren gelernt hatten, fackelten wir nicht lange und nahmen eine gehörige Portion Kamelfleisch mit. Wir alle waren neugierig, wie ein Kamelsteak schmecken würde.
    Als wir am Fuß des Berges angekommen waren, war uns allen speiübel und wir hielten an, um eine Pause zu machen. Kaum hatten wir unsere Fahrzeuge verlassen, ging die Spuckerei los. Auch ich machte mit. Völlig erschlagen saßen wir da und kotzten uns die Seele aus dem Leib. Bestimmt eine Viertelstunde ging das so. Erschöpft und mit leeren Mägen hingen wir in der Landschaft, als plötzlich jemand rief: »He, wollen wir nicht was essen? Dann geht es uns hinterher bestimmt besser.« Gute Idee! In einiger Entfernung stand ein Fahrzeugwrack, ein ideales Teilelager für einen improvisierten Grill. Zwei Jungs aus dem Team zogen los, bauten den Frontgrill des Fahrzeugs ab und brachten ihn triumphierend mit. Wir anderen hatten bereits ein Feuer entfacht und legten nun den Fahrzeuggrill über die Flammen. Dann legten wir unser Kamelfleisch auf den Rost.
    Geschmacklich war unser Kamelsteak eher eine Enttäuschung: Es schmeckte wie zähes, trockenes Rindfleisch. Ganz ehrlich: Jeden Tag bräuchte ich es nicht auf dem Teller. Immerhin brachte es uns zu Kräften, die Farbe kehrte langsam in die Gesichter zurück. Auf der Rückfahrt passierte mir dann noch ein weiteres Malheur, ziemlich schmerzhaft. Alle paar Meter waren sehr tiefe Schlaglöcher in der Straße, denen unser Fahrer nicht ausweichen konnte. Meine Bristol-Weste, gefüttert mit diversen Keramikplatten und 15 Kilo schwer, lag locker auf meinen Oberschenkeln, als wir durch ein besonders tiefes Loch fuhren. Ich federte nach oben. Doch dann, beim Aufkommen, knallte meine Weste mit Karacho auf mein bestes Stück. Mir blieb die Luft weg, Tränen schossen mir in die Augen. Schmerzwellen rasten durch meinen Körper. Zusammengekrümmt saß ich auf dem Rücksitz und rang nach Luft. Mein Sitznachbar hatte alles mitbekommen und fing an zu lachen. Na prima, ich sorgte wieder mal für das Unterhaltungsprogramm.
    Im Camp gab es abends eine kleine Feier im Bereich der Niederländer, die ich nicht so richtig genießen konnte. Sie wissen schon, mein Missgeschick. Ich litt noch immer wie ein Hund. Glücklicherweise war eine deutsche Sanitäterin vor Ort, die mir vielleicht helfen konnte. Ich nahm sie unauffällig zur Seite und schilderte ihr mein Problem. Sie versprach mir Salbe zu besorgen und außerdem, niemandem ein Sterbenswörtchen von meiner sehr speziellen Verletzung zu erzählen. Als ich nach einem Gang zur Toilette ins Zelt kam, brach lautes Gelächter aus. Meine Kumpels zeigten mit Fingern auf mich und mein verletztes Körperteil und konnten sich kaum wieder einkriegen. Ich dankte der Sanitäterin höflich für ihre Diskretion und ging schlafen. Was für ein Tag!
    Am übernächsten Tag stand zur Abwechslung mal ein relativ ruhiger Routineauftrag für uns an: Wir sollten acht frisch eingeflogene Offiziere des KSK vom KIA abholen und nach Bagram bringen. Die Erkennung war kein Problem, da sie alle Wüstentarn-Uniformen trugen. Was mich wunderte, war, dass sie relativ hochrangige Leute waren, nämlich allesamt Offiziere: Leutnante, Oberleutnante und Hauptleute. Inzwischen war wohl nur noch die Kopfzahl der Spezialkräfte entscheidend. Die Anzahl echter »Kämpfer« war weniger wichtig, da ja, wie schon beschrieben, der Nutzwert der Truppe gegen null tendierte.
    Auf der Fahrt in Richtung Bagram wurde so gut wie nicht gesprochen. Wie erwartet kassierte ich verwunderte Blicke, als deutscher Soldat bei den Niederländern. Daran hatte ich mich aber schon gewöhnt. In der Dämmerung begannen wir dann die 67 Kilometer

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