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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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dunkler, riesengroßer Schatten huschte der zweite Hubschrauber an uns vorbei, in endlos derhenden Achterschleifen. Ich dachte: Jetzt ist mein Adrenalinpegel auf dem höchsten Anschlag, mehr geht nicht. Doch dann die Steigerung: touch down! Landung.
    Wir verließen Rucksack an Rucksack den Hubschrauber über die Heckrampe und wandten uns nach links, um uns nicht mit dem Heckrotor anzulegen. Kaum waren alle elf Mann sicher nach draußen gelangt, erhöhte der Pilot die Drehzahl. Schon stieg das Luftfahrzeug höher und höher, und wir begannen unsere Mission: Sternförmig aufgefächert, unseren Truppführer in der Mitte, sicherten wir uns rundum, klappten unsere Nachtsichtgeräte herunter – und schon wurde die Landschaft in ein gespenstisch grünes Licht getaucht. Schussbereit! Unser Truppführer sondierte kurz das Gelände und gab dann die Marschrichtung vor.
    Wir liefen unverzüglich los, da die Hubschrauber für einiges Aufsehen im Landebereich gesorgt hatten. Überall huschten Personen herum, wie im Halbdunkel zu erkennen war. Wir bewegten uns in Richtung des Dorfes und konnten auch dort jede Menge Bewegungen in den Straßen und Häusern erkennen. Wann immer wir anhielten, um uns zu orientieren, stellten wir uns mit einem zweiten Mann Rücken an Rücken, deckten uns somit gegenseitig. Im Schutz der Häuser zogen wir ruhig und leise unseres Weges. Alles blieb ruhig, höchstens ein paar erschrockene oder neugierige Gesichter schimmerten uns grünlich durch die Nachtsehbrillen entgegen, wenn wir plötzlich vor späten Heimkehrern auftauchten.
    Am Sammelpunkt des Kommandos wartete bereits ein Team, das mit den Fahrzeugen vorausgefahren war. Auch Major Goulden, der Chef der KCT, war vor Ort. Nach einer kurzen Lagebesprechung sollten die Teams in ihren zugewiesenen Bereich gehen und die ganze Nacht das Umfeld beobachten. Unser Objekt der Begierde war natürlich das Haus von Khaddafy Janjalani, des Führers von Abu Sayyaf. Wir hofften, beim Wachpersonal gewisse Bewegungsmuster und Abläufe zu erkennen und eventuelle Lücken in der Bewachung des Janjalani-Hauses aufzuklären. Dazu mussten wir uns nun an den Aufstieg machen, um den Sammelpunkt zu erreichen und dort im Gelände einen Observation Point (OP) einrichten zu können. 300 Höhenmeter lagen vor uns, mit zusätzlichen 30 Kilo Gepäck auf dem Rücken. Schon nach wenigen Metern spürte ich, wie mir der Schweiß ausbrach und in meine Augen unter dem Nachtsehgerät lief. Dann fingen meine Oberschenkel an zu brennen. Das Tempo wurde nun forciert, um schnellstmöglich einen großen Abstand zum Ort und zu neugierigen Personen, die uns vielleicht verfolgten, zu erreichen.
    Ich schwitzte immer mehr. Mein Atem ging keuchend und ich verfluchte jede einzelne Zigarette, die ich in meinem bisherigen Leben geraucht hatte. Ich hatte mächtig zu kämpfen, um an Joris, der vor mir lief, dranzubleiben. Den anderen schien diese Anstrengung so gut wie nichts auszumachen. Sie schritten forsch und zügig aus. Das Gelände tat sein Übriges, mir diesen Aufstieg zusätzlich zu erschweren. Überall lag loses Geröll herum, und man musste höllisch aufpassen, dass man nicht stolperte oder umknickte. Dann endlich war der Sammelpunkt zu sehen. Ich dankte Gott, Allah und allen anderen Göttern, die mir so einfielen, für diesen Anblick. Joris rang mir besonderen Respekt ab: Sein Rucksack hatte fast die doppelte Größe von meinem. Was um alles in der Welt schleppte er bloß mit sich herum?
    Vor Erreichen des Sammelpunktes gab es noch eine kleine Hürde zu überwinden: Wir mussten einen kleinen, harmlosen Bach durchqueren. Ich war natürlich darauf aus, trockenen Fußes die andere Seite zu erreichen. Aber wie sagt man so schön: Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Nachdem Joris und Gerrit hinübergestiegen waren, war ich an der Reihe. Durch den dreistündigen Anstieg war ich total kaputt und rutschte auf einem der glitschigen Steine im Bachbett aus. Prompt fand ich mich im hüfttiefen Wasser wieder. Leise vor mich hin brabbelnd und fluchend versuchte ich, aus der Patsche zu kommen. Als meine Kameraden registrierten, dass ich unverletzt war – von meinem Stolz mal abgesehen –, hörte ich auch schon leises unterdrücktes Gekicher aus der Dunkelheit, das mir die Schamesröte ins Gesicht steigen ließ. Zum Glück war es dunkel! Gerrit, Joris und die anderen versicherten mir, sie lachten nicht über mich, sondern mit mir – diese Scherzkekse! Als mir zwei meiner Kumpels zu Hilfe kamen und mich in

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