Endstation Kabul
sie ruhig spekulieren. Das war uns sogar recht! Nun ging es bergab, und wir kamen zügig voran. Auch mein Freund, der Bach, wurde trockenen Fußes von mir überquert. Im Dorf wurden wir respektvoll gegrüßt, sogar das eine oder andere Gespräch ergab sich. Gegen 10.20 Uhr erreichten wir unseren Abholpunkt und sicherten rundum. Zehn Minuten später hörten wir das charakteristische Rotorengeknatter, und schon sahen wir zwei große stählerne Vögel über den Berg sausen. Da quakte es aus dem Funk. Die deutschen Piloten nahmen Verbindung mit uns auf. »Lasst mich antworten«, bat ich mein Team. »Ich glaube nämlich kaum, dass sie hier bei euch Niederländern einen Deutschen erwarten.« Wir zündeten schnell einen Nebeltopf, aus dem träge grüner Rauch quoll. Für den Piloten war dies nicht nur eine Hilfe für unsere Ortung und ein Erkennungszeichen, sondern auch eine Hilfestellung für den Anflug. So konnte er nämlich sehen, aus welcher Richtung der Wind kommt. Die Verwunderung des Piloten war wirklich groß, als ich mich mit »Moin, Moin, deutsche Teile am Boden« meldete.
Inzwischen hatte sich eine Traube afghanischer Kinder um uns versammelt, die staunend in die Luft sahen und die Hubschrauber begrüßten. Ein kleiner Junge hatte ein knallrotes, nigelnagelneues Trikot von Bayern München an und kickte mit Gerrit, der nicht nur ein Fußball-, sondern auch ein Kindernarr war. Wahrscheinlich war Franz Beckenbauer bei seiner Werbetour für die Austragung der Fußball-WM 2006 in Deutschland hier vorbeigekommen. Es war nicht das erste Mal, dass ich in den entlegensten Winkeln Bayern-Trikots sah. Der erste Hubschrauber löste sich aus der Formation und knatterte im Tiefflug über unsere Köpfe, zur visuellen Identifizierung der Teile am Boden. Dann begann er den Bereich aus der Luft zu sichern und drehte seine Schleifen um den Landeplatz. Der zweite Hubschrauber schwebte majestätisch auf uns zu und setzte zur Landung an. Nachdem wir das Zeichen des Bordmechanikers – Daumen hoch – erhielten, sprinteten wir auf die Heckrampe zu, und der stählerne Vogel verschlang unser Team. Wir hatten uns kaum hingesetzt, da hob die Maschine ab.
Eine sehr ereignisreiche Nacht lag hinter uns. Das einlullende Geräusch des Hauptrotors ließ mich eindösen. Ich saß neben dem »Doorgunner«, dem Bediener des Maschinengewehrs, der einen Pilotenhelm mit schwarzem Visier trug, um seinen Kopf vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. Als ich ihn in der Phase der Landung anblickte, sah auch er mich an und stutzte. »Achim?«, fragte er. Mich durchfuhr ein Schreck. Denn meine Tätigkeit für die KCT sollte nicht an die große Glocke gehängt werden. Nur ein kleiner notwendiger Kreis sollte davon wissen – und nicht Gott und alle Welt! Aus gutem Grund: Soldaten im Einsatz sind die größten Klatschtanten, die man sich vorstellen kann. Ich zog meinen »Shemag« (eine Art um Kopf und Hals gewickeltes Palästinensertuch, nur die Augen bleiben frei) herunter und begrüßte meinen alten Kameraden Volker von den Fallschirmjägern. Seine Verwirrung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Volker war an Bord, weil er eine spezielle »Doorgunner«-Ausbildung hatte, und die Piloten griffen gerne auf das gutausgebildete Personal der springenden Teile zurück. Mist, das hätte nicht passieren sollen, dachte ich, als er mich neugierig zu meiner Arbeit bei den Holländern befragte und ich ihm nicht viel dazu sagen konnte. Meine deutschen Kameraden dachten fast alle, dass ich zum Stabsdienst in der OPZ der KMNB eingesetzt bin. Das hatte sich nun erledigt.
Gegen elf landeten wir am KIA. Wir bedankten uns bei den Piloten und zogen uns um, damit wir wieder wie halbwegs normale Soldaten aussehen. Auch die Gesichtstarnung entfernten wir. Im Lager war erst mal Regeneration angesagt. Nachdem wir zum frühen Abend hin unsere Nachbesprechung durchgeführt hatten, stellten wir einen Grill auf und tranken etwas zusammen. Natürlich gingen heute alle flüssigen und festen Nahrungsmittel auf meine Rechnung, war ja mein Geburtstag. Das war das Mindeste, wie ich meinem großartigen Team für seine kurze, aber überwältigende nächtliche Überraschungsparty danken konnte. Joris holte seine Gitarre heraus, und selbst ein »Didgeridoo« war vorhanden, auf dem ich mich – ohne Erfolg – versuchte. Nach ein paar schönen Stunden in geselliger Runde begab ich mich zur deutschen Camp Site und schlief gut und zufrieden ein.
Waschen, Zähne putzen, Frühstück. Danach
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