Endstation Kabul
Zwischenmeldung über Funk freudig. Die niederländischen Kameraden in der Zentrale konnten es offensichtlich kaum erwarten, unseren Bericht zu lesen. Dieser sollte so schnell wie möglich dem Führer unserer KMNB, dem deutschen General Schlenker, vorgelegt werden. Ich war sehr gespannt, was dabei herauskommen würde. Der Knackpunkt war ja, dass das Anwesen haarscharf außerhalb der AOR lag. Und Schlenker war dafür bekannt, alles sehr genau zu nehmen. Wie er wohl auf unsere jenseits des Mandatsgebiets gewonnenen Erkenntnisse reagieren würde?
Wenige Tage später wollten Minister der afghanischen Interimsregierung einen Tag lang im Hotel Interconti konferieren. Weil auch ein chilenischer Minister beteiligt war, sollten wir einen Observationspunkt einrichten und betreiben. Ich schluckte, als ich den Namen des Hotels hörte. Nicht schon wieder!, dachte ich nur. Mein Team wusste, dass ich bereits den einen oder anderen »Auftritt« im Interconti absolviert hatte. Alle waren froh, jemanden mit guten Ortskenntnissen in ihren Reihen zu haben. Ich konnte ihre Freude leider nicht teilen, vom Interconti hatte ich echt die Schnauze voll.
Wenigstens brauchten wir uns nicht lange vorbereiten. Nach dem gemeinsamen Kartenstudium schlug ich einen OP circa 300 Meter nördlich des Hotels auf einem kleinen Höhenrücken vor. Dort steht auch ein alter Wehr- oder Wachturm, zwei Stockwerke hoch, von wo sich ein sehr guter Überblick auf die gesamte Frontseite des Hotels und des Tagungszentrums bot. Außerdem konnte man von dort oben sehr frühzeitig Fahrzeuge zum Hotel hochfahren sehen. Von meinem Einsatz bei der Loya Jirga wusste ich, dass sich in diesem Wehrturm immer ein oder zwei Wachleute des Hotels zwischen ihren Patrouillen aufs Ohr legten.
Der Standort für unseren OP wurde erst einmal angenommen. Vor Ort würden wir noch eine Feinerkundung vornehmen, und ich sollte das Team in die örtlichen Gegebenheiten einweisen. Die vorgeschobene OPZ der Kommandos stellte sich mit ihrem Kastenwolf, vollgepackt mit Funkgeräten, auf den Platz nördlich des Hotels, wo auch Alex und ich unsere Fahrzeuge während der Loya Jirga geparkt hatten. Zusätzlich bekamen wir einen Transportpanzer, mit Personal der deutschen Sanitätskräfte, unterstellt. Weil das Treffen in den Abendstunden des nächsten Tages stattfinden sollte, hatten wir ein Problem: die Dunkelheit. Die KCT besaßen nämlich keine nachtkampffähigen Optiken für die Scharfschützengewehre. Durch meine Ausbildung wusste ich, dass die deutschen Scharfschützen solche Optiken für ihre Waffen besitzen. Ich schlug also vor, ein deutsches Scharfschützenteam zur Unterstützung anzufordern, um unseren Auftrag durchführen zu können.
Wir funkten unsere OPZ an und gaben diesen Wunsch durch und ein Erkennungszeichen für die Kontaktaufnahme an. Dieses Erkennungszeichen bei der Annäherung ist ganz wichtig für die schnelle und sichere Identifizierung eigener Teile und wird in allen Armeen der Welt so gehandhabt. Kein Problem, wurde uns wenig später durchgefunkt. Die OPZ der KMNB hätte das zweiköpfige deutsche Scharfschützenteam bewilligt, dabei seien auch die Instruktionen zur Identifizierung entsprechend kommuniziert worden. Wir konnten noch nicht wissen, dass sich dieses Mal ein paar unschöne Probleme bei der transnationalen Zusammenarbeit ergeben würden.
Wir hatten bereits unsere Stellung im Turm bezogen, als wir plötzlich zum Abend hin ein Fahrzeug in unsere Richtung kommen sahen. Mit voll aufgeblendeten Scheinwerfern rumpelte es gemütlich den kleinen Weg zu unserem Turm herauf. Dummerweise konnten wir außer der Fahrzeugsilhouette nichts erkennen, da der Weg geradewegs zum Turm führte und wir von den Scheinwerfern geblendet wurden. Um mich herum wurde es unruhig, und meine Kollegen gingen in Stellung. Wahrscheinlich kam ihnen noch nicht einmal ansatzweise in den Sinn, dass sich lediglich irgendjemand nicht an Absprachen halten würde. Ich war mir ziemlich sicher: Genau das war hier der Fall. Dieses auf uns zukommende Fahrzeug sah mir ganz nach dem Fahrzeug des deutschen Scharfschützenteams aus, das hell erleuchtet zu seinem Einsatzort fuhr.
Aufgeweckt von der Unruhe um sie herum, sammelten sich jetzt sogar die Kameraden, die eigentlich Ruhezeit hatten, und gingen ebenfalls in Stellung. Ich beruhigte die Gemüter: »Keine Panik, das sind bestimmt die Deutschen!« Meine Kameraden ließen es sich nicht nehmen, ihre Verteidigungsposition beizubehalten, und sicherten
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