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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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hochseriösen Berufsstimme. »Die Polizei hat für Herrn Mansfeld einen Pflichtverteidiger bestellt, und dieser Kollege hat den Fall an mich abgegeben.«
    »Warum?« Sie setzte sich wieder in Bewegung.
    »Er meinte, er würde aus Prinzip keine Pädophilen vertreten.«
    »Und Sie tun das?« In Gretes Stimme klirrte das Eis.
    »Nein. Ich tue das auch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass Herr Mansfeld weder pädophil noch ein Mörder ist.«
    »Warum?«
    Paul sah mich an. Ich sah fragend zurück. Konnte man dieser Grete trauen? Sie erinnerte mich an eine Gewerkschaftskollegin meiner Eltern, die mir manchmal Bücher geliehen hatte. Aber das reichte mir nicht.
    »Frau – äh – Grete?«
    Sie würdigte mich keiner Antwort.
    »Sie sind zu Recht misstrauisch, was uns betrifft. Sie kennen uns nicht, Sie wissen nichts über uns und unsere Gründe, Herrn Mansfeld zu helfen. Aber umgekehrt ist es genauso. Wenn wir ihm wirklich helfen wollen, dann können wir nicht einfach mit jedem Beliebigen über ihn plaudern.«
    »Setzen Sie sich.«
    Sie wies auf die Bank, an der wir inzwischen angelangt waren. Paul und ich nahmen Platz wie zwei brave Schüler, sie selbst setzte sich uns gegenüber auf den Sitz ihres Rollators. Sie schloss die Augen und ließ die Schultern sinken, die sie die ganze Zeit über hochgezogen hatte.
    Ich nutzte die Verschnaufpause und sah mich um. Der Park war eine Orgie von Grüntönen, sattem, fettem, schimmerndem Grün. Die Vögel zwitscherten, als würden sie sich bei einem Vogel-Casting bewerben, zwei Kaninchen rannten über die Wiese, ein drittes, kleineres raste ihnen hinterher, und ein junger Boxermischling zerrte aufgeregt an der Leine, die sein Herrchen mit eiserner Faust festhielt. Sunny dagegen döste selig in seinem Körbchen und ließ sich die Sonne aufs Fell brennen. Zwei junge Mütter mit Kinderwagen gingen an uns vorbei, erblickten das Hundebaby und riefen im Chor, »Ooooh, ist der süüüüß!« Ich lächelte ihnen huldvoll zu, als wäre ich die Erzeugerin.
    Grete öffnete die Augen und musterte uns noch einmal kritisch. »Also. Ich heiße Grete Lehner und bin pensionierte Lehrerin. Englisch und Deutsch. Otto hat den Garten neben mir von seiner Schwester geerbt, die letztes Jahr verstorben ist. Und weil er grade keine Wohnung hatte, ist er hier eingezogen. Otto war auch Lehrer. Mathe. Bis ihn das Leben aus der Bahn geworfen hat.«
    Sie langte nach hinten und legte sich Sunny auf den Schoß. Kraulte ihn an seinen winzigen Öhrchen. Sunny öffnete ein ganz klein wenig sein Minimaul und schob eine leuchtend rosa Zunge vor. Eine Stimme in mir sagte: »Will haben!« Aber ich hatte Rosa. Und Rosa duldet keine Eindringlinge.
    »Eines Tages kam Otto mit dem hier an.« Sie stupste Sunny sanft in die Flanken. »Er hat ihn den Punks vor dem Gulliver abgenommen, das ist die Überlebensstation für Obdachlose am Bahnhof …«
    »Ja«, sagten Paul und ich gleichzeitig.
    »Die hatten Junge, also deren Hündin hatte Junge, und sie wussten nicht, wohin damit.«
    Sie hielt Sunny ihren Zeigefinger hin, er knabberte lustvoll daran herum. Ich muss gestrahlt haben wie ein kleines Mädchen, denn Grete lächelte mich plötzlich an.
    »Würden Sie denn gleich noch eine Runde mit ihm drehen? Er bekommt nicht genug Bewegung …« Sie wies auf ihren Rollator. »Damit ist man nicht so flott unterwegs.«
    »Ja klar, gerne!«, rief ich und streckte die Hand nach Sunny aus. Er blinzelte kurz zu mir hoch, dann ließ er sich streicheln. Ich klaubte ihn von Gretes Schoß und legte ihn auf meinen. Aber Sunnyboy blieb nicht liegen. Er stakste auf meinen Oberschenkeln herum, schnupperte an meinen Klamotten und sabberte mir die Jeans voll. »Er riecht meine Katze«, erklärte ich Grete und gab ihr den Hund zurück.
    »Otto.« Paul brachte uns zurück zum Thema.
    »Otto. Der Hund war sein Ein und Alles. Und dann kam der Junge.« Sie strich mit einer langsamen Bewegung über Sunnys Rücken. Dann sah sie zu uns hoch. »Und wer sind Sie?«
    Ich erzählte ihr die Geschichte von Marco und Chantal, von Grimme und ihrem Notizbuch, von Hotte, allerdings ohne seinen Namen zu nennen, von meinen Recherchen. »Die Männer, an die Frau Grimme Marco verkauft hat«, schloss ich meinen Vortrag, »sind, da bin ich mir sehr sicher, ehrenwerte Mitglieder dieser Gesellschaft. Das sind keine Obdachlosen, die in einem Schrebergarten hausen. Die Polizei hat sich aber auf Otto eingeschossen. Und deshalb versuchen wir, mein Bruder, ich und ein paar Freunde,

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