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Endstation Oxford

Endstation Oxford

Titel: Endstation Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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sah nicht so aus, als wolle er schon gehen. »Wenn sich eine solche Tragödie ereignet, muss man mit anderen Menschen darüber reden, findest du nicht? Es ist so, als brauchte man eine Bestätigung dessen, was geschehen ist. Man will seine Gefühle mit anderen teilen.«
    »Ich finde, du wirst sentimental«, meinte Frances knapp. Ganz offensichtlich missbilligte sie das Teilen von Gefühlen jeglicher Art. »Die meisten Leute hier haben einfach nur nichts zu tun und sind neugierig.«
    »Wahrscheinlich weiß hier ohnehin niemand, wer das Opfer ist«, stellte Kate fest.
    »Die Einzelheiten werden erst publik gemacht, wenn die Familie Bescheid weiß.«
    »Aber das hier ist doch die Kanzlei von Myles, oder?«
    »Schon«, bestätigte Frances. »Aber seit er auf dem Land lebt, arbeitet er oft von zu Hause aus.«
    Kate überlegte, ob sie erwähnen sollte, dass Myles nicht mehr mit Cathy in den Chilterns wohnte, doch dann entschied sie sich dagegen. Nur allzu gern hätte sie Frances gefragt, ob sie wusste, dass Myles eine Freundin hatte, und ob sie vielleicht zufällig deren Adresse in der Nähe der Kingston Road kannte. Doch sie war sich sicher, dass Frances es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wusste. Eine Klatschtante war sie wirklich nicht.
    »Los, Ben«, wiederholte Frances gereizt. »Wir können schließlich nicht ewig hier herumstehen. Erstens ist es kalt, und zweitens müssen wir den Laden öffnen.«
    »Du hast natürlich recht«, antwortete Ben lustlos. »Obwohl ich zu bezweifeln wage, dass an einem derart kalten Morgen viele Kunden kommen werden. Wenn Sie wollen, Kate, können Sie ja später noch bei uns vorbeikommen. Schließlich geht man nach einem solchen Vorfall nicht einfach zur Tagesordnung über. Ein Gewaltverbrechen in unserem Viertel – so etwas berührt einen schon!«
    »Wieso fühlst du dich derart betroffen?«, fragte Frances kühl. »Du weißt doch nicht einmal, wer das Opfer ist.«
    »Wenn es jemand aus dieser Kanzlei ist, dann kennen wir ihn«, entgegnete Ben. »Unsere Familie lässt sich schließlich seit über siebzig Jahren von John, Haffney & Hume vertreten.«
    Immer noch streitend machten sich Bruder und Schwester auf den Weg nach Jericho.
    »Ich glaube, wir sollten auch verschwinden«, schlug Craig vor. »So wie es aussieht, erfahren wir hier nichts Neues.«
    »In gewisser Weise hat Ben recht. Der Mensch ist ein Herdentier, und deshalb sind wir nicht gern allein, wenn so etwas passiert. Wir wollen unbedingt über den Vorfall reden und uns eine gemeinsame Meinung bilden«, sinnierte Kate. Sie folgten den Akins die Straße hinunter.
    »Also, ich kann nicht behaupten, dass ich mich gern in einer Menschenmenge aufhalte.«
    »Falls es tatsächlich Myles sein sollte, der getötet wurde – was ist dann mit Estelle?«
    »Ich habe eben im Getümmel gehört, dass es eine Männerleiche sein soll.«
    »Aber Estelle ist seine Schwägerin. Wenn er tot ist und sie vermisst wird, was könnte das bedeuten? Sie könnte …«
    »Ich glaube, wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir müssen erst mit Sicherheit wissen, wer das Opfer ist.«
    Aber Kate ließ sich nicht überzeugen. Schweigend gingen sie nach Hause.
    »Ich muss unbedingt etwas überprüfen«, sagte sie, nachdem sie ihre Mäntel ausgezogen hatten.
    Fünf Minuten später saßen sie am Küchentisch. Kate schob ihr Notebook zu Craig hinüber.
    »Ja und?«, fragte er.
    »Die Akins. Eine Adresse, zwei Telefonnummern.«
    »24A und 24B. Ich würde sagen, das sind Nachbarwohnungen.«
    »Trotzdem merkwürdig, findest du nicht?«
    »Wieso? Sie scheinen einander nahezustehen und sind vermutlich beide unverheiratet. Warum sollen sie nicht nebeneinander wohnen?«
    »Würdest du gern unmittelbar neben deiner Schwester wohnen?«
    »Ich habe keine. Und du?«
    »Ich bin Einzelkind.«
    Craig lachte. »Wir taugen also beide nicht dazu, ihr Verhalten zu beurteilen.«
    Kate antwortete nicht. Sie trank ihren Kaffee aus und sagte schließlich: »Ich mache einen Spaziergang.«
    »Aber das Wetter ist scheußlich: nass, neblig und eiskalt.«
    »Trotzdem. Ich brauche Bewegung.«
    Aber eigentlich brauchte sie Zeit zum Nachdenken.

30
    Die Akins wohnten auf halber Strecke zwischen der Cleveland Road und ihrer Buchhandlung. Kate ging schnell. Ihr Atem stieg in der kalten Luft weiß vor ihrem Mund auf. Schließlich erreichte sie eine baumbestandene Straße mit hohen, viktorianischen Häusern. Die meisten Häuser dieser Art waren von Universitätsfakultäten oder Colleges

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