Endstation Oxford
heimsuchen und es so modernisieren, dass es nicht mehr wiederzuerkennen wäre.
Er griff zum Telefon und wählte die Nummer, die im Briefkopf angegeben war. Zehn Minuten später – nachdem er die alte Frau überzeugt hatte, ihn noch an diesem Morgen zu empfangen – zog er sich um. Für den Besuch bei Adela Carston wählte er ein Tweedjackett, um möglichst vertrauenswürdig zu wirken.
Er war bereits auf dem Weg zur Tür, als das Telefon klingelte.
»Ja bitte?«
»Mr Livingstone?«
»Hume. Mein Name ist Hume.« Nachdem sich Peter entschlossen hatte, nach Oxford zu fahren, wollte er sich nicht aufhalten lassen.
»Ich habe mehrfach versucht, Mrs Livingstone zu erreichen, aber sie scheint meine Anrufe nicht entgegennehmen zu wollen.«
»Sie wird ihre Gründe haben, Mr …«
»Erwin. Todd Erwin. Sobald ich zu sprechen beginne, schneidet sie mir das Wort ab. Sie sagt, sie habe zu viel zu tun und ruft nie zurück. Wenn ich sie darauf anspreche, schlägt sie mir vor, ihr zu schreiben.«
»Dann sollten Sie das machen, Mr Erwin. Mit den beruflichen Angelegenheiten meiner Frau habe ich nichts zu tun. Und jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich habe einen Termin und möchte nicht zu spät kommen.« Er musste Estelle unbedingt dazu bringen, sich entweder aus dem Telefonbuch löschen zu lassen oder zumindest ihren Ehenamen anzugeben.
»Schon gut. Aber wissen Sie, ich werde nicht aufgeben. Ich habe ihr die ersten drei Kapitel zugeschickt – jetzt muss sie wenigstens Notiz von mir nehmen. Mein Roman ist originell, wenn nicht sogar brillant. Das hat jemand gesagt, der viel von Literatur versteht und dem ich mein Buch zu lesen gegeben habe. Er erklärte mir auch, dass nur die absurden Strukturen des Buchhandels meinem Ruhm im Weg stehen. Ich werde also nicht dulden, dass Estelle Livingstone mich mit Allgemeinplätzen abspeist.«
»Sehr schön. Auf Wiederhören, Mr Erwin.« Der Mann klang ziemlich abgedreht. Peter war froh, als er auflegen konnte.
Wenige Minuten später befand er sich auf dem Weg zur M40.
Estelle war inzwischen in ihrem Büro angekommen. Nachdem sie ihren Mantel aufgehängt hatte, schaltete sie den Wasserkocher ein, warf einen Blick in den Posteingang und schluckte schließlich zwei Ibuprofen mit einem starken Kaffee. Ihre Kopfschmerzen ließen etwas nach. Der Tag würde anstrengend werden, und ihre Assistentin hatte frei. Als das Telefon klingelte, musste sie selbst abheben.
»Estelle Livingstone«, fauchte sie in den Hörer. Der Tonfall hätte selbst den unsensibelsten Anrufer abschrecken müssen.
»Hallo, ist dort die Literaturagentur?«
»Richtig, und ich bin Estelle Livingstone. Mit wem spreche ich?«
»Mein Name ist Cutter.«
»Was kann ich für Sie tun, Mr Cutter?«
»Ich habe Ihnen vergangene Woche die ersten drei Kapitel meines Romans zugeschickt und möchte wissen, was Sie von meinem Werk halten.«
Estelle schluckte eine unfreundliche Antwort hinunter, die ihr auf der Zunge lag. »Cutter sagten Sie? Jackson Cutter?«
»Genau der.«
»Ihre Einsendung war das erste Manuskript, das ich am Montag nach der Rückkehr aus dem Urlaub gelesen habe.« Sie brach ab.
»Und?«
Der Mann klang so unsicher, dass sie ihm etwas Positives sagen wollte. »Der Ansatz ist recht vielversprechend, und einiges hat mir ganz gut gefallen. Schicken Sie mir bei Gelegenheit doch bitte das ganze Buch zu, Jackson. Ich darf doch Jackson sagen? Jedenfalls werde ich es lesen und wieder auf Sie zukommen. Es kann allerdings ein paar Wochen dauern. Wir werden im Augenblick mit Manuskripten geradezu überschwemmt, und ich muss mich natürlich auch um die Autoren kümmern, die ich bereits unter Vertrag habe. Mit einem Monat Wartezeit müssen Sie mindestens rechnen.«
»Ich schicke Ihnen das ganze Werk gleich heute noch.«
»Ich freue mich darauf, Jackson.«
Estelle war über sich selbst überrascht. Eigentlich bemühte sie sich immer, keine ungerechtfertigten Hoffnungen zu schüren. Eine gewisse Ehrlichkeit schonte sowohl sie selbst als auch den Möchtegern-Autor. Aber Jackson Cutter hatte so verzweifelt geklungen, und seine ersten Kapitel waren wirklich nicht schlecht, wenngleich sie nichts wirklich Neues boten. Wahrscheinlich würde sie ihr Zuvorkommen später noch bereuen, wenn sie ihm irgendwann mitteilen musste, dass sie doch nicht mit ihm zusammenarbeiten würde. Aber falls es so weit kommen sollte, würde die Ablehnung ohnehin schriftlich erfolgen. Sie ließ sich nie auf telefonische Diskussionen mit
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