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Endstation Oxford

Endstation Oxford

Titel: Endstation Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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ich tun, um dir zu helfen?«
    Kate wartete, bis ihr Ärger einigermaßen verraucht war, ehe sie antwortete: »Ich hatte gehofft, dir käme vielleicht eine deiner genialen Ideen.«
    Jon dachte einen Moment nach. »Hast du ihre Adresse?«
    Kate, die gerade dabei war, Balsamico und Olivenöl miteinander zu verrühren, unterbrach ihre Tätigkeit. »Klar. In meinem Adressbuch.«
    »Dann fahr doch einfach nach London und statte ihr einen kurzen Besuch ab. Nimm dein Manuskript mit. Vielleicht habt ihr Zeit, es kurz zu besprechen.«
    »Eigentlich will ich ja nur wissen, ob es ihr gut geht.«
    »Nun gut, dann fahr eben ohne das Manuskript nach London.«
    »Jetzt sofort?«
    »Vielleicht besser morgen Vormittag.«
    »Du hast recht.«
    »Sollen wir uns heute Abend einen netten Film anschauen?«, fragte er.
    »Gute Idee.«
    »Ich muss nur noch kurz telefonieren, dann suche ich uns etwas aus.«
    Seltsam, dass er nicht deutlicher wurde, aber sie fragte nicht, wen er anrufen wollte.
    »Mein Name ist Estelle Livingstone.« Sie sprach die Worte laut in die Dunkelheit. »Ich habe ein Haus, einen Ehemann und ein erfolgreiches Unternehmen. Ich kann nicht einfach so verschwinden. Irgendjemand wird es bemerken.« Die Worte hallten durch den spärlich möblierten Raum. Estelle kämpfte verbissen um ihr schwindendes Selbstvertrauen.
    Alle Statussymbole ihres Lebens hatte man ihr fortgenommen, und im Zimmer gab es nicht einmal einen Lichtschalter. Sie schwor sich, elektrisches Licht nie wieder als Selbstverständlichkeit anzusehen, wenn sie wieder freikam. Selbst am hellen Tag drang nur wenig Licht von draußen ins Zimmer. Um diese Jahreszeit wurde es außerdem schon früh dunkel. Um viertel nach vier ging die Deckenbeleuchtung an und blendete sie. Um zehn Uhr aber wurde das Licht wieder ausgeschaltet, und dann blieb ihr nichts anderes übrig, als sich hinzulegen und zu schlafen – oder es zumindest zu versuchen. Es gab weder Fernseher noch Tageszeitung oder Bücher. Glücklicherweise hatte man ihr die Armbanduhr gelassen, sodass sie sich waschen, die Zähne putzen und ins Bett legen konnte, ehe das Licht pünktlich um zehn Uhr ausging.
    Der Mann kam nur kurz mit dem Essen und vergewisserte sich, dass sie noch da war. Als er wegging, schrie sie ihm nach, dass sie verrückt würde, wenn sie den ganzen Tag nichts zu tun hätte. Bei der nächsten Mahlzeit brachte er ihr dann etwas zu lesen mit, obwohl es nicht unbedingt das war, was sie sich selbst ausgesucht hätte. Wenn sie nur wüsste, was in der Welt draußen vor sich ging!
    Frustriert stapfte sie durch das Zimmer, stieß gegen einen Stuhl und stolperte daraufhin gegen eine Wand. »Mist!«
    Es war längst Montag. Wo blieb Peter? Was tat er, um ihr zu helfen? Immerhin hatte er zwei Tage Zeit zum Handeln gehabt. Die Sache war doch einfach nur lächerlich, und sicher konnte Peter ihr helfen. Estelle wünschte sich nur, sie hätte mit ihm reden und ihm ein paar schlaue Tipps geben können. Wäre die Situation umgekehrt, hätte sie längst alle Hebel in Bewegung gesetzt, und Peter müsste seine Zeit nicht in diesem Rattenloch vergeuden.

10
    Es war Kate gelungen, das Thema Estelle während des restlichen Abends ruhen zu lassen. Nachdem Jon am folgenden Morgen zur Arbeit gegangen war, machte sie sich jedoch sofort auf den Weg zum Bahnhof und stieg in den nächsten Zug nach London. Um kurz nach elf stand sie vor Estelles Haustür.
    Sie klingelte.
    Keine Antwort.
    Sie klingelte erneut und wartete. Allmählich wurde sie wirklich nervös! Sie legte den Finger auf den Klingelknopf und behielt ihn unhöflich lang dort. Als sie kurz unterbrach, näherten sich drinnen zögernd Schritte, denen sie mit mehreren kurzen Klingelsalven Mut zu machen versuchte. Endlich wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet.
    »Peter?« Sie sah ein schmales Stück seines Gesichts, das sehr blass war und unter dem Auge tiefe Schatten zeigte.
    »Kennen wir uns?«
    »Ich bin Kate. Kate Ivory. Wir haben gestern miteinander wegen Estelle telefoniert.«
    »Stimmt.« Er machte keine Anstalten, die Tür weiter zu öffnen.
    Weil ihr Peter irgendwie merkwürdig erschien, sprach sie besonders langsam und deutlich. »Ich bin extra aus Oxford gekommen, um mit Ihnen zu sprechen. Dürfte ich vielleicht einen Augenblick reinkommen?«
    Nach einer kurzen Pause wurde die Tür widerwillig geöffnet. Vor Kate stand eine zerzauste, sichtlich schwankende Gestalt.
    »Peter?«
    Wacklig trat er einen Schritt zurück, um sie einzulassen. Nein, der

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