Endstation Oxford
Augen.
Kate wartete so geduldig, wie es ihr unter den gegebenen Umständen möglich war. »Und?«, fragte sie schließlich mit lauter Stimme. Schließlich konnte Peter schon wieder eingedöst sein. »Hier ist sie jedenfalls nicht. Und in ihrem Büro ist sie auch nicht. Also?«
Peter antwortete nicht.
»Ich hege auch begründete Zweifel daran, dass sie mit Freunden zum Mittagessen ist oder mit einer alten Tante Tee trinkt.«
»Vermutlich haben Sie recht.«
»Seit wann ist sie fort?«
»Seit Samstag.« Er presste den Mund zu einem schmalen Strich zusammen, als bereue er, zu viel verraten zu haben.
»Natürlich geht es mich nichts an, ob Estelle und Sie Streit hatten, und darüber will ich auch gar nichts wissen. Aber Estelle ist meine Agentin, und sie hat mir versprochen, einen Entwurf mit mir zu besprechen, den ich ihr vergangene Woche geschickt habe. Deshalb will ich auch nur wissen, wie ich Kontakt mit ihr aufnehmen kann.«
Peter holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Da gibt es ein gewisses Problem.« Er sprach noch immer mit schwerer Zunge, obwohl er jetzt etwas wacher wirkte als bei Kates Ankunft. Sein zweites Glas Wasser hatte er nicht geleert, aber der Kaffee schien ihm gutzutun. »Ich weiß nämlich selbst nicht, wo sie ist. Meine Anrufe hat sie ebenfalls nicht beantwortet. Nicht, dass Sie glauben, wir hätten Streit gehabt. Absolut nicht. Doch als ich Samstagabend nach Hause kam, war sie nicht da.«
Kate hob ihre Kaffeetasse und starrte Peter über den Rand hinweg an. Er sprach jetzt ruhiger und zusammenhängender, trotzdem glaubte sie ihm nicht. »Wollen Sie etwa behaupten, dass sie einfach so verschwunden ist, ohne eine Nachricht zu hinterlassen? Nicht einmal einen kleinen Zettel?«
»Nichts. Ich habe diese Möchtegern-Autoren im Verdacht, die sie dauernd mit ihren unsäglichen Romanen bombardieren. Einige rufen sogar hier zu Hause an oder kommen mit ihren Manuskripten an die Haustür. Sie haben ja keine Ahnung, wie hartnäckig und fordernd Ihre Kollegen sein können.«
»Aber ich werde doch längst verlegt«, protestierte Kate. »Estelle ist seit zehn Jahren meine Agentin. Außerdem wollte sie mit mir reden. Jetzt fangen Sie nur nicht an, mich mit ihrem Verschwinden in Verbindung zu bringen.« Sie starrte ihn an, bis er ihren Blick erwiderte.
»Nun, vielleicht nicht Sie persönlich. Aber Estelle wurde immer wieder von irgendwelchen Schreiberlingen bedrängt, die fest daran glauben, Estelle könne sie im Handumdrehen reich und berühmt machen. Einer hat sogar mit Selbstmord gedroht, falls sie ihn ablehnen würde.«
»Ich bin sicher, es steckt mehr dahinter als ein übereifriger Möchtegern-Autor. Estelle hat schon seit Jahren mit solchen Leuten zu tun und wird sich nicht plötzlich von ihnen stören lassen. Haben Sie die Polizei informiert?«
»Das ist wohl nicht nötig.«
»Ihre frisch angetraute Ehefrau verschwindet ohne ein Wort, und Sie haben vier Tage später noch nichts unternommen?« Kate wartete. Sie hoffte immer noch, Peter würde ihr endlich anvertrauen, was wirklich geschehen war. »Sie wirken nicht einmal besonders beunruhigt«, fügte sie hinzu.
»Natürlich mache ich mir Sorgen. Aber ich habe nichts Falsches getan und sehe nicht ein, warum ich …« Er schlug sich die Hand vor den Mund, als wolle er die Worte zurückholen, die er gerade ausgesprochen hatte.
»Sie haben mir noch längst nicht alles gesagt, nicht wahr? Was haben Sie getan?« Sie überlegte kurz, ob sie mehr aus Peter herausbekommen würde, wenn sie ihm einen großen Whisky einschenkte. Doch sie schob den Gedanken beiseite, nahm ihm die leere Kaffeetasse weg und hielt ihm das noch fast volle Wasserglas hin.
»Ich mag das Zeug nicht«, murrte er. »Und ich habe ihnen schon mehrmals gesagt, dass es Sie nicht im Mindesten etwas angeht, wo Estelle geblieben ist. Ich weiß nicht, warum sie verschwunden ist. Auf mich wirkt es fast so, als hätte sie für ihn Partei ergriffen.«
»Für wen?«
»Ich habe ihr gesagt, dass das nun mal mein Job ist. Ich kaufe und verkaufe Bücher. Das ist doch ganz einfach zu verstehen, oder?«
»Sicher!« Kate hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.
»Mein Vater ist einfach viel zu früh gestorben. Aber welche Folgen das für mich hatte, interessiert anscheinend niemanden! Ich musste mich um meine Mutter und meinen kleinen Bruder kümmern. Und obwohl das alles schon Jahrzehnte her ist, hat sich keiner der beiden die Mühe gemacht, so erwachsen zu werden, dass er Verantwortung
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