Endstation Oxford
sind wir nicht der Meinung, dass er es ist, der Estelle gefangen halten könnte.«
»Aber möglicherweise hat er etwas getan, womit er irgendjemand ziemlich vor den Kopf gestoßen hat, und dieser Jemand rächt sich jetzt, indem er Estelle festhält«, schlug Emma vor.
»Ich persönlich halte es für wahrscheinlicher, dass die beiden sich gestritten haben und Estelle deshalb verschwunden ist«, wandte Craig ein. »Und falls sie hinter Peters manchmal recht zweifelhaftes Geschäftsgebaren gekommen ist, hätten wir auch einen Grund für den Streit.«
»Was denkst du, Kate?«, erkundigte sich Emma.
»Estelle kann hart verhandeln und brutal kritisieren. Aber soweit ich sie kenne, ist sie absolut fair und sehr ehrlich.«
»Aber genau das ist ja der Punkt«, meinte Craig. »Wir glauben, Menschen zu kennen, aber im Grunde wissen wir nichts über sie. Jeder von uns zeigt seinen Mitmenschen nur ausgewählte Facetten von sich selbst.«
»Ich halte es für möglich, dass Estelle aus freiem Willen für zwei Tage verschwunden ist, sich dann aber entschlossen hat, zu Peter zurückzukehren, und dass ihr auf dem Weg nach Hause jemand aufgelauert hat«, sagte Kate, der es ganz und gar nicht gefiel, wie Craig den Ernst der Lage herunterspielte.
Emma lachte auf. »Also das klingt für mich nun wirklich völlig unwahrscheinlich, Kate. Craigs Erklärung erscheint mir sehr viel plausibler, auch wenn du in der Vergangenheit mit deinen Theorien oft recht behalten hast.«
»Aber wenn wir berücksichtigen, was du uns über den Vorfall auf dem Weg nach Stratford erzählt hast …«
»Wer weiß, ob das in dieser Härte nicht nur eine einmalige Sache war. Aber jetzt sollten wir Peter Hume für einen Moment vergessen und uns auf den Nachtisch konzentrieren. Nimmst du noch einen Schluck Wein, Craig?«
Craig schenkte sein Glas halb voll, während sich Kate auf die Zunge beißen musste. Das Thema Peter Hume und Estelle interessierte Emma offensichtlich längst nicht so brennend wie sie selbst. Außerdem brachte Emma gerade drei Schüsselchen mit noch warmem Pudding, der mit Schokoladensoße und Schlagsahne gekrönt war, ins Esszimmer.
»Ich finde, bei dermaßen kaltem Wetter braucht man etwas für die Seele«, verkündete sie. »Darüber hinaus scheinst du schon wieder dünner geworden zu sein, Kate. Also hau rein!«
»Das sieht ja wirklich super aus«, lobte Kate, die sehr genau wusste, dass sich ihr Gewicht schon seit Jahren nicht verändert hatte, aber gleichzeitig darüber nachdachte, dass eine morgendliche Joggingrunde über Port Meadow sicherlich kein Fehler wäre.
Einige Zeit später saßen sie auf den bequemen Sofas und tranken Kaffee, als Craig seine Neugier nicht mehr bezähmen konnte: »Würde es dir etwas ausmachen, Emma, uns zu erzählen, was Peter in Oxford zu tun hatte, als er dich besuchen kam?«
Emma leistete Craig bei einem letzten Glas Wein Gesellschaft, was sie nach ihrer großzügigen Portion Karamellpudding in eine friedfertige Stimmung versetzte.
»Schon gut, mir ist ja klar, dass ihr euch Sorgen um Estelle macht. Viel kann ich euch allerdings nicht erzählen. Zunächst dachte ich, Peter käme nur, um sich die Kosten für ein Mittagessen zu sparen. Er kreuzte gegen ein Uhr mit einem breiten Grinsen bei mir auf. Ich war gerade dabei, die Pasteten für Zaras Bistro zu backen, und nicht gerade glücklich, ihn zu sehen. Aber ich bat ihn in die Küche und machte ihm ein Käsebrot. So, wie er mich ansah, erwartete er vermutlich eher ein dreigängiges Menü, aber ich lasse mich längst nicht mehr so leicht um den Finger wickeln wie früher. Er verschlang das Sandwich und hoffte anscheinend auf einen Nachtisch, aber ich bot ihm lediglich an, den kalten Kaffee vom Frühstück aufzuwärmen. Das lehnte er aber ab. Ich habe mich ziemlich gemein verhalten, nicht wahr?«
»Nicht schlechter, als er es verdient hat – nach allem, was du erzählt hast.«
»Er hat mir nicht verraten, warum er sich in Oxford aufhielt, aber er wirkte genauso zufrieden mit sich wie damals. Aber was will man da hineindeuten? Vielleicht war er nur glücklich über seine Hochzeit. Ich begleitete ihn bis zu seinem Auto – es war tatsächlich der gleiche schmutzige Kombi wie damals zu Stratford-Zeiten – und konnte sehen, dass er hinten im Wagen etwas transportierte, was eher nach Mobiliar als nach Büchern aussah.«
»Mobiliar? Hast du eine Ahnung, warum?«
»Ich witzelte ein bisschen herum, ob er sich auf Flohmärkte verlegt hätte, aber er tat
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