Endstation Oxford
Später bereute er wohl, dass er mit seinem Erfolg derart geprahlt hat. Aber in diesem Moment schien er jemanden zu brauchen, der ihm zu seinem schlauen Schachzug gratulierte, und deshalb zeigte er an diesem Nachmittag seine wahren Gefühle. Er hätte es sicher gern gehört, wenn ich sein Ego gestreichelt und ihm gesagt hätte, wie toll er ist. Leider habe ich seinen Erwartungen absolut nicht entsprochen, und er sah ein, dass er einen Fehler gemacht hatte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er ihn je wiederholt hat. Jedenfalls hat er gegen Ende des Abends deutlich zurückgerudert und behauptete, dass er bei der Aussicht auf seinen Gewinn ziemlich übertrieben habe. Abgesehen davon müsse er selbstverständlich auch noch den Auktionator und Steuern bezahlen, und bislang hätte er auch nur eine annähernde Vorstellung von dem, was er da gekauft habe. Es sei sehr dunkel im Haus der alten Dame gewesen, und er habe die Bücher auf Treu und Glauben gekauft und gedacht, er würde ihr damit in erster Linie einen Gefallen tun. Und so weiter und so fort. Es gelang mir, meine Zweifel beiseitezuschieben, aber nur, weil ich mir wirklich Mühe gab. Die Alternative wäre gewesen, unsere Nachmittage aufzugeben, unsere Ausflüge in Theater und die gemeinsamen Konzerte. Aber dazu war ich anfangs einfach nicht bereit. In diesen wenigen Monaten mit Peter fühlte ich mich nämlich plötzlich wieder jung und attraktiv, kaufte neue Kleider und ging zum Friseur. Ich war wieder mehr als nur eine Mutter.«
»Ich kann mich noch gut daran erinnern«, sagte Kate. »Du hast damals wirklich hübsch ausgesehen.« Sie brach ab und fügte hastig hinzu: »Natürlich siehst du immer noch hübsch aus, Emma.«
Emma lachte.
»Vergiss es! Wir wissen beide, dass man mir ansieht, dass ich mir das Haar selbst schneide und kein Interesse an schicken Klamotten habe.«
»Ich glaube, deine Kinder wollen dich auch gar nicht anders haben.«
»Mag sein, aber ich glaube, damals fanden sie es gar nicht schlecht, zur Abwechslung mal eine vorzeigbare Mutter zu haben. Komisch, aber bis heute habe ich diesen Nachmittag immer irgendwie verdrängt. Ich bin immer noch der Meinung, dass es nicht richtig war, was er getan hat. Inzwischen begreife ich, dass für Peter jeder Freiwild war, den er für weniger intelligent hielt als sich selbst. Hauptsache, er konnte Profit aus einem Geschäft schlagen. Dabei war es ihm gleich, ob die Leute alt, krank oder in irgendeiner anderen Weise verletzlich waren. Er war abgebrüht bis zur Gefühllosigkeit, was er aber mit seinem Charme und Humor zu überspielen vermochte. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr darüber hinwegsehen und verzichtete lieber auf seine Gesellschaft.«
»Kennst du jemanden namens Charley Hisper?«, fragte Kate.
»Wen?«
Kate berichtete von dem Zwischenfall bei Estelles Hochzeit, und dass ein Betrunkener namens Charley Hisper Peter als »betrügerischen Mistkerl« beschimpft hatte. Natürlich war es durchaus möglich, dass Charley, betrunken wie er war, nicht Peter, sondern eigentlich Myles gemeint hatte.
»Ich kenne weder diesen Charley noch Myles. Manchmal erzählte Peter von seinem Bruder. Für mich klang es so, als geriete dieser immer wieder in finanzielle Engpässe. Myles ist Anwalt, da kann so etwas sicher zu ernsten Problemen führen.«
»Irgendwie kommt immer wieder das leidige Geld ins Spiel«, sagte Craig.
»Obwohl noch niemand eine Lösegeldforderung für Estelle gestellt hat«, platzte Kate ohne nachzudenken heraus.
»Lösegeld? Estelle? Was ist passiert?«, fragte Emma erschrocken.
»Bestimmt nichts Schlimmes«, versuchte Craig sie zu beruhigen. »Doch Estelle ist seit ein paar Tagen verschwunden, und niemand weiß, wo sie sich aufhält.«
»Aber ihr geht davon aus, dass sie entführt wurde?«
»Kate hat eine lebhafte Fantasie«, beschwichtigte Craig. »Wahrscheinlich gibt es eine ganz einfache Erklärung dafür.«
»Im Lauf der Jahre habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass sich selbst Kates wildeste Fantasien häufig als richtig erwiesen«, behauptete Emma.
»Aber es gab sicher auch Ausnahmen«, warf Craig ein.
»Würdet ihr bitte aufhören, so zu reden, als wäre ich gar nicht da«, protestierte Kate.
»Ist es bei einer Entführung ähnlich wie bei einem Mordfall?«, fragte Emma. »Wird immer zunächst der Ehepartner verdächtigt? Habt ihr mir deshalb die vielen Fragen über Peter gestellt?«
»Wir glauben, dass er mehr weiß, als er zugibt«, erklärte Kate. »Allerdings
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