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Endstation Rußland

Endstation Rußland

Titel: Endstation Rußland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalja Kljutscharjowa
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des alten Lüstlings Henry nicht an die Ohren der wachsamen Eltern drangen. Das Fräulein erstarrte interessiert und bedachte Choma mit einem durchaus lebendigen Blick.
    »Ich will jede Falte in deiner Möse aushobeln, samenträchtige Tania.«
    Der blasse Mischa rutschte hin und her und setzte sich zum ersten Mal seit zwei Wochen im Bett auf.
    »Nach mir kannst du Hengste nehmen, Bullen, Widder, Drachen oder Bernhardinerhunde. Du kannst Kröten, Fledermäuse, Eidechsen in deinen Mastdarm stopfen.«
    Roschtschin war schweißgebadet. Die Eltern konnten jeden Augenblick hereinkommen. Und dann wäre ihm eine Anklage wegen Verführung so gut wie sicher. Indessen kam merklich Leben in das Fräulein, es glitt vom Sofa und fragte, krampfhaft schluckend:
    »Darf ich DAS mal lesen?«
    Die Heilung des blassen Erstsemesters von Camus wargelungen. Mischa verschlang den Wendekreis des Krebses in einer Nacht und erschien am nächsten Morgen wieder in der Uni. Wie ein Jäger nach allen Seiten ausspähend, schlich er sprungbereit durch den Flur. Jede potentielle »Tania«, von denen es an der philologischen Fakultät nur so wimmelte, betrachtete er mit normalem menschlichen Interesse.
    Daß »alles sinnlos« war, hatte Mischa offensichtlich vergessen. Roschtschin beobachtete ihn durch die offene Tür seines Lehrstuhlbüros und lachte lauthals, womit er die angejahrten Lehrstuhlassistentinnen erschreckte.

13
    Die seltsamen Bekannten aus Jasjas neuem Leben brachten Nikita unwillkürlich auf traurige Gedanken. Obwohl er sich heldenhaft bemühte, nicht darüber nachzudenken. Eines Tages rief das werdende Pornomodel ihn mitten in der Nacht an und teilte mit, sie habe schon seit Monaten nicht ein einziges menschliches Gesicht mehr gesehen. Nikita hielt ein Auto an und fuhr zu der genannten Adresse. In Jasjas fröhlicher Stimme hatte Verzweiflung gelegen.
    Ein rotwangiger Pope öffnete Nikita die Tür. Auf Väterchens Brust baumelte anstelle eines Kreuzes ein Teilnehmerausweis für eine Show des Friseurs Sergej Swerew. Im Flur schliefen auf einem Schuhhaufen mehrere verirrte Nachfahren Dschingis Khans. Einer der Söhne des Orients trug Damenstrümpfe, schwarze Seidenwäsche und am ganzen Körper Spuren von Lippenstift. In der Küche saß Jasja, schön und erschöpft, vor einer Flasche Whisky. Der Pope goß Nikita etwas ein und ging seine Popenfrau suchen, wobeier murmelte: »Mütterchen ist Alkoholikerin, sie verflucht mich, wenn ich sie nicht rufe.«
    »Alles Schwule hier!« sagte Jasja böse, ohne Nikita anzusehen, und nahm einen Schluck aus der Flasche.
    »Mein Augenstern! Warum trinkst du ohne mich?!« Professionell mit dem Hintern wackelnd, kam »Mütterchen« herein – ein brünetter Jüngling mit gepiercter Unterlippe.
    Väterchen kam schwerfällig hinterher getrottet.
    »Oh, was für ein süßes Häschen!« quiekte das zapplige Mütterchen und stupste Nikita mit dem Finger an. »Meine Liebe, mach uns bekannt, ich will ihn!«
    »Laß mich in Ruhe!« wehrte Jasja ihn müde ab. Mütterchen wandte sich beleidigt dem Whisky zu. Eine dicke bärtige junge Frau mit öligen Augen kam in die Küche getrampelt, sank an Väterchens breite Brust und fing an zu schluchzen.
    »Nicht weinen, Apollo!« leierte der Priester und streichelte die melierten Locken der Märtyrerin. »Du weißt doch, er kommt zurück. Er geht eine Weile fremd und kommt wieder zurück. Ist doch nicht das erste Mal. Trink lieber was!«
    »Er ist ein Schwein, ein Schwein! Ich hasse ihn! Ich habe alles für ihn getan! Ich hab ihm meine Lederjacke geschenkt! Ihm Tabletten besorgt! Und er …«, klagte Apollo mit dünner Stimme, das Gesicht in den schwarzen Priesterrock gepreßt.
    Mütterchen machte Nikita hinter der Whiskyflasche schöne Augen und wollte von Jasja wissen, was besser sei, »Cremepuder oder Tönungscreme«.
    »Du kannst dir in die Fresse schmieren, was du willst, mehr als einen Zehner kriegst du auf der Piste nicht!« blaffte die Bärtige mit überraschend männlicher Stimme.
    »Selber billige Nutte! Scher dich in den Wald und krepierda!« sagte Mütterchen affektiert und tastete Nikita mit lüsternen Blicken ab.
    »Das ist nicht christlich, gar nicht christlich«, dröhnte Väterchen.
    Vom Whiskygeruch geweckt, kamen die asiatischen Models einer nach dem anderen in die Küche getrottet.
    »Jasja, was tust du hier?« fragte Nikita.
    Jasja sah ihn mit trüben Puppenaugen an. Immer mehr Asiaten kamen herein. Der schlitzäugige Jüngling in den schwarzen

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