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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sein, so weit weg von dem Floß?
    »Raul!«, rief Aenea wieder. »Dreh dich auf den Rücken. Halt die Fische mit der Waffe auf Distanz. Ich zieh dich mit.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich verstand nicht. Warum sollte sie den kräftigen Androiden auf dem Floß zurücklassen und mir selbst hinterherschwimmen? Wie konnte...
    A. Bettiks blauer Schädel tauchte über der nächsten hohen Welle auf. Der Androide schwamm mit kräftigen Armbewegungen und hatte die lange Machete zwischen die weißen Zähne geklemmt. Ich gebe zu, dass ich trotz meiner Tränen lachte. Er sah wie ein Pirat in einem billigen Holostreifen aus.
    »Dreh dich auf den Rücken!«, rief das Mädchen wieder.
    Ich drehte mich auf den Rücken, war aber zu müde, um zu treten, als eines der Haiviecher nach meinen Beinen schnappte. Ich schoss zwischen meinen Füßen hindurch und traf es mitten zwischen seinen schwarzen, leblosen Augen. Die beiden Flossen verschwanden unter den Wellen.
    Aenea legte einen Arm um meinen Hals, die linke Hand unter meinem rechten Arm und schwamm mit kräftigen Bewegungen die nächste hohe Welle hinauf. A. Bettik schwamm neben uns und ruderte mit einer Hand, während er mit der anderen die scharfe Machete schwang. Ich sah, wie er ins Wasser hieb und zwei Haifischflossen erschauerten und nach rechts auswichen.
    »Was machst du...«, begann ich würgend und hustend.
    »Halt die Luft an«, keuchte das Mädchen, zog mich ins nächste Tal und die violette Wand vor uns hinauf. »Wir haben einen langen Weg vor uns.«
    »Die Pistole«, sagte ich und versuchte, sie ihr zu geben. Ich spürte, wie die Dunkelheit mein Gesichtsfeld zu einem schmalen Tunnel schrumpfen ließ, und wollte die Waffe nicht verlieren. Zu spät – ich spürte, wie sie ins Meer fiel. »Tut mir Leid«, murmelte ich, bevor der Tunnel sich völlig schloss.
    Mein letzter bewusster Gedanke galt einer Inventur von allem, was ich bei meiner ersten Solo-Exkursion verloren hatte: die kostbare Hawking-Matte, mein Nachtglas, die antike automatische Pistole, meine Stiefel, wahrscheinlich die Kom-Einheit und höchstwahrscheinlich mein Leben und das meiner Freunde. Völlige Dunkelheit bereitete diesen zynischen Spekulationen ein Ende.
    Ich bekam nur am Rande mit, wie sie mich auf das Floß hoben. Die Handschellen waren fort, durchschnitten. Das Mädchen atmete in meinen Mund und pumpte durch Druck auf meine Brust Wasser aus meinen Lungen. A. Bettik kniete neben uns und zog kräftig an einem schweren Tau.
    Nachdem ich einige Minuten lang Wasser gewürgt hatte, sagte ich: »Das Floß... wie?... es hätte inzwischen bei dem Portal sein müssen... ich verstehe nicht...«
    Aenea drückte meinen Kopf wieder auf einen der Rucksäcke und schnitt mit einem kurzen Messer die Fetzen meines Hemdes und rechten Hosenbeins weg. »A. Bettik hat mit dem Mikrozelt und dem Kletterseil eine Art Treibanker gebastelt«, sagte sie. »Wir haben ihn im Schlepp, sodass er uns abbremst, aber auf Kurs hält. Das hat uns genug Zeit verschafft, nach dir zu suchen.«
    »Wie...«, begann ich und fing wieder an, Salzwasser zu husten.
    »Psst«, sagte das Mädchen und riss den Rest meines Hemds weg. »Ich möchte sehen, wie schlimm deine Verletzungen sind.«
    Ich zuckte zusammen, als ihre kräftigen Hände die klaffende Wunde an meiner Seite berührten. Sie ertastete mit den Fingern den tiefen Schnitt an meinem Oberarm und strich an meiner Seite entlang bis zu der Stelle, wo der Fisch mir die Haut von Oberschenkel und Wade weggerissen hatte.
    »Ah, Raul«, sagte sie traurig. »Da lasse ich dich eine oder zwei Stunden aus den Augen, und sieh nur, was du dir antust.«
    Die Schwäche übermannte mich wieder, die Dunkelheit kehrte zurück.
    Ich wusste, ich hatte zu viel Blut verloren. Mir war sehr kalt. »Tut mir Leid«, flüsterte ich.
    »Still.« Sie riss mit einem lauten Ratschen das größere unserer Medpacks auf. »Psst.«
    »Nein«, beharrte ich. »Ich habe es versaut. Ich sollte dein Beschützer sein... dich bewachen. Tut mir –« Ich schrie auf, als sie antiseptische Schwefeltinktur direkt auf die Wunde an meiner Seite goss. Ich hatte Männer auf dem Schlachtfeld dabei weinen sehen. Nun war ich einer von ihnen.
    Wenn das Mädchen mein modernes Medpack aufgerissen hätte, wäre ich Minuten, wenn nicht Sekunden später gestorben, da bin ich ganz sicher.
    Aber es war das größere Pack – ein uraltes Medpack von FORCE, das wir aus dem Schiff mitgenommen hatten. Mein erster Gedanke war, dass die Medikamente und

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