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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hohen Würdenträgern der Heiligen Kongregation treffen werden.«
    De Soya ist wie vor den Kopf geschlagen. Er kann nur die Hacken zusammenpressen und ergeben den Kopf beugen. Er ist Jesuit und Offizier der Pax-Flotte. Disziplin ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen.
    »Ausgezeichnet«, sagt Pater Farrell und verabschiedet sich.
    Pater Captain de Soya bleibt noch mehrere Minuten, nachdem der Legionär Christi gegangen ist, in der Pfarrei stehen. Als bloßem Priester und Offizier sind de Soya Kirchenpolitik und interne Machtkämpfe weitgehend erspart geblieben, aber selbst ein Provinzpriester oder ein beschränkter Krieger des Pax kennt die Grundstruktur des Vatikan und ihren Zweck.
    Dem Papst sind zwei bedeutende Verwaltungsbereiche untergeordnet, die Römische Kurie und die sogenannten Heiligen Kongregationen. De Soya weiß, dass die Kurie eine träge und verschachtelte Verwaltungsstruktur besitzt – in ihrer »modernen« Form wurde sie 1588 n. Chr. von Sixtus V.
    begründet. Zur Kurie gehört die Secretaria Status, die Basis von Kardinal Lourdusamys Macht, wo er als eine Art Außenminister mit dem irreführenden Titel Kardinalstaatssekretär fungiert. Diese Kurialbehörde ist ein zentraler Bestandteil dessen, was häufig als »Alte Kurie« bezeichnet wird, deren sich die Päpste seit dem sechzehnten Jahrhundert bedienen.
    Zusätzlich gibt es die »Neue Kurie«, die ihren Ursprung in sechzehn minderen, vom Zweiten Vatikanischen Konzil – im Volksmund immer noch Vatikan II genannt und 1965 n. Chr. beendet – ins Leben gerufenen Körperschaften hat. Aus diesen sechzehn Körperschaften sind in der zweihundertsechzigjährigen Regentschaft von Papst Julius einunddreißig ineinander verflochtene Strukturen geworden.
    Aber de Soya wurde nicht vor diese Kurie beordert, sondern vor eines ihrer separaten und manchmal widerstreitenden Machtgremien, die Heiligen Kongregationen. In diesem speziellen Fall wurde ihm befohlen, vor der so genannten Heiligen Kongregation der Doktrin des Glaubens zu erscheinen, eine Organisation, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten eine gewaltige Macht erlangt – oder besser gesagt wiedererlangt – hat.
    Unter Papst Julius akzeptierte die Heilige Kongregation der Doktrin des Glaubens den Papst wieder als ihren Präfekten – eine Veränderung der Hierarchie, die die Organisation wieder belebt hat. In den zwölf Jahrhunderten vor der Wahl von Papst Julius war der Einfluss dieser Heiligen Kongregation – die von 1908 n. Chr. bis 1964 n. Chr. auch als Heiliges Offizium bezeichnet wurde – so weit beschnitten worden, dass sie beinahe zu einem rudimentären Organ verkümmerte. Aber jetzt, unter Julius, ist die Macht des Heiligen Offiziums über fünfhundert Lichtjahre Raum und durch drei Jahrtausende der Geschichte zu spüren.
    De Soya kehrt ins Wohnzimmer zurück und lehnt sich an den Stuhl, auf dem er gesessen hat. Seine Gedanken wirbeln durcheinander. Er weiß jetzt, dass ihm vor der Versammlung im Heiligen Offizium am nächsten Morgen nicht gestattet werden wird, Gregorius oder Kee zu sehen. Möglicherweise sieht er sie nie wieder. De Soya versucht, den Faden zu entwirren, der ihn vor diese Versammlung geführt hat, aber er verliert sich in den Wirren von Kirchenpolitik, beleidigten Geistlichen, Machtkämpfen im Pax und dem Chaos in seinem eigenen verwirrten, wieder geborenen Gehirn.
    Er weiß eines: Die Heilige Kongregation der Doktrin des Glaubens, ehedem Heilige Kongregation des Heiligen Offiziums genannt, hat – über zahlreiche vorhergehende Jahrhunderte hinweg – die Bezeichnung Heilige Kongregation der Universellen Inquisition getragen.
    Unter Papst Julius XIV. macht die Inquisition ihrem ursprünglichen Namen und dem Schrecken, den er verbreitete, wieder alle Ehre. Und de Soya muss pünktlich um sieben Uhr morgen früh vor ihnen erscheinen, hat aber nicht die geringste Ahnung, welche Anschuldigungen gegen ihn erhoben werden, noch rechtlichen Beistand oder Zeit für Vorbereitungen.
    Pater Baggio tritt ein; ein Lächeln erhellt die engelsgleichen Züge des untersetzten Priesters. »Hast du ein nettes Gespräch mit Pater Farrell gehabt, mein Sohn?«
    »Ja«, sagt de Soya zerstreut. »Sehr nett.«
    »Gut, gut«, sagt Pater Baggio. »Aber ich glaube, es wird Zeit für ein wenig Brühe, ein Gebet – das Angelus Dei, denke ich –, und dann früh ins Bett. Wir müssen ausgeruht sein für das, was der morgige Tag bringen wird, oder nicht?«

38

    Als ich ein Kind war und mir

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