Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Außenweltlern des Pax und den Kolonisten der Hegira, die Jahrhunderte nach meinen Vorfahren kamen.
Damals hatte mein Volk schon Jahrhunderte in diesen Tälern und Bergen gearbeitet. Ich war sicher, dass meine Vorfahren mehrheitlich niedere Tätigkeiten ausgeübt hatten – so wie mein Vater vor seinem frühen Tod, als ich acht Jahre alt war, so wie meine Mutter bis zu ihrem Tod fünf Jahre später, so wie ich bis zu dieser Woche. Meine Großmutter war in dem Jahrzehnt nach der Zeit geboren worden, als der Pax alle aus dieser Region evakuiert hatte, aber Grandam war so alt, dass sie sich tatsächlich noch an die Zeit erinnern konnte, als unsere Klanfamilien bis zum Pinion Plateau zogen und auf den Fiberplastikplantagen südlich von hier arbeiteten.
Ich verspürte kein Gefühl der Heimkehr. Die kalten Moore der Region nordöstlich von hier waren meine Heimat. Die Sümpfe nördlich von Port Romance hatte ich mir als Ort zum Leben und Arbeiten gewählt. Weder die Universität noch die Stadt waren je Bestandteil meines Lebens gewesen, und bargen nicht mehr Relevanz für mich als die wilden Geschichten der Cantos des alten Dichters.
Am Fundament eines anderen Turmes machte ich eine Verschnaufpause und dachte über diesen letzten Gedanken nach. Falls das Angebot des Dichters echt war, würden die »wilden Geschichten« der Cantos bald sehr relevant für mich sein. Ich erinnerte mich, wie Grandam dieses epische Gedicht rezitiert hatte – entsann mich der Nächte, in denen ich Schafe in den Bergen des Nordens hütete, wo wir unsere batteriebetriebenen Wohnmobile für die Nacht zu einem schützenden Kreis zusammengefahren hatten und die niederen Feuerstellen zum Kochen die Pracht der Sternbilder und Meteorschauer am Himmel kaum beeinträchtigten, und erinnerte mich an Grandams langsame, bedächtige Stimme, bis sie einen Vers beendet hatte und darauf wartete, dass ich ihn wiederholte; ich erinnerte mich an meine Ungeduld angesichts dieser Vorgehensweise – ich hätte viel lieber im Licht einer Laterne gesessen und ein Buch gelesen – und lächelte, weil ich heute Abend mit dem Verfasser dieser Zeilen essen würde. Mehr noch, der alte Dichter war einer der sieben Pilger, von denen das Gedicht erzählte.
Ich schüttelte wieder den Kopf. Zu viel. Zu schnell.
Dieser Turm hatte etwas Seltsames. Das Bauwerk, größer und breiter als das, in dem ich erwacht war, wies nur ein Fenster auf – ein offener Bogen in dreißig Meter Höhe. Noch interessanter war, dass man den ursprünglichen Eingang zugemauert hatte. Mit dem geübten Blick eines Maurers und Steinmetzen in der Zeit bei Avrol Hume sah ich, dass die Tür verschlossen worden sein musste, bevor das Gebiet vor hundert Jahren geräumt worden war – aber nicht allzu lange davor.
Bis auf den heutigen Tag weiß ich nicht, was meine Neugier auf dieses Gebäude zog, wo es an jenem Nachmittag so viele Ruinen zu erkunden gab
– aber neugierig war ich. Ich erinnere mich, wie ich den steilen Hügel jenseits des Turms hinaufschaute und die wuchernden Chalmapflanzen mit ihren sukkulenten Blättern sah, die sich wie Efeu mit rauer Borke an dem Turm hinauf und um ihn herum wanden. Wenn man den Hügel erklomm und genau... dort in das Chalmawäldchen eindrang, müsste es einem gerade noch gelingen, den Sims dieses einzigen Fensters zu erreichen...
Ich schüttelte wieder den Kopf. Das war Unsinn. Im günstigsten Fall würde eine derartige kindische Expedition zu zerrissener Kleidung und aufgeschürften Händen führen. Schlimmstenfalls konnte man dreißig Meter auf das Kopfsteinpflaster hinunterstürzen. Und wozu das Risiko eingehen?
Was konnte ich in dem alten gemauerten Turm schon anderes finden als Spinnen und Spinnweben?
Zehn Minuten später befand ich mich weit draußen auf einem korkenzieherförmig gewundenen Chalmaast und tastete mich voran, indem ich versuchte, Kerben in den Mauersteinen oder hinreichend dicke Zweige an den Ranken über mir zu finden. Da der Ast direkt an der Mauer wuchs, konnte ich mich nicht rittlings darauf setzen. Ich musste vielmehr auf den Knien darauf entlangrutschen – die überhängenden Chalmareben waren so tief, dass ich nicht aufrecht stehen konnte –, und das Gefühl, schutzlos zu sein und in Richtung Abgrund gedrängt zu werden, war grauenhaft. Jedes Mal, wenn der Herbstwind aufkam und die Blätter und Äste durchschüttelte, verharrte ich reglos und klammerte mich fest, als ginge es um mein Leben.
Schließlich gelangte ich zu dem Fenster
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