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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Stelle erwähnen, dass ich das alles – meine Verhandlung, meine »Hinrichtung«, meine seltsame Begegnung mit dem legendären alten Dichter – keineswegs so gelassen hinnahm, wie diese Schilderung möglicherweise suggeriert. Ein Teil von mir war bis ins Innerste erschüttert. Sie hatten versucht, mich zu töten! Ich wollte dem Pax die Schuld geben, aber die Gerichte waren keine Handlanger des Pax –
    nicht direkt. Hyperion hatte seinen eigenen Heimatregierungsrat, und die Gerichte in Port Romance waren unserer Lokalpolitik gemäß eingerichtet worden. Die Todesstrafe war kein unausweichlicher Urteilsspruch nach der Doktrin des Pax, besonders auf den Welten, wo die Kirche mittels Theokratie herrschte, sondern ein Überbleibsel aus der vergangenen Kolonialzeit von Hyperion. Meine abgekürzte Verhandlung, ihr unausweichlicher Ausgang und meine rasche Hinrichtung waren, wenn überhaupt, mehr als alles andere ein Ausdruck der Angst der Wirtschaftsbarone von Hyperion und Port Romance, die Pax-Touristen von anderen Welten könnten ausbleiben. Ich war ein Bauer, ein Jagdführer, der einen seiner Obhut anvertrauten reichen Touristen getötet hatte, und daher war ein Exempel an mir statuiert worden. Mehr nicht. Ich sollte es nicht persönlich nehmen.
    Ich nahm es sehr persönlich. Ich blieb vor dem Turm stehen, spürte die Wärme der Sonne, die von den großen Pflastersteinen des Innenhofs abgestrahlt wurde, und hob langsam die Hände. Sie zitterten. Zu viel war zu schnell passiert, und meine erzwungene Ruhe während der Verhandlung und der kurzen Zeit vor meiner Hinrichtung hatte mir zu viel abverlangt.
    Ich schüttelte den Kopf und schritt langsam durch die Ruinen der Universität. Die Stadt Endymion war hoch auf einer Hügelkuppe erbaut worden, und die Universität selbst lag zur Kolonialzeit noch höher auf diesem Grat, sodass man eine herrliche Aussicht nach Süden und Osten hatte. Chalmawälder unten im Tal leuchteten hellgelb. Am lapislazulifarbenen Himmel waren keine Kondensstreifen von Raumschiffen oder Flugzeugen zu sehen. Ich wusste, dass dem Pax nichts an Endymion lag, dass die Truppen lediglich die Region um das Pinion Plateau im Nordosten abriegelten und die Roboter nach wie vor nach den einmaligen Kruziformsymbionten schürften, aber dieser gesamte Bereich des Kontinents gehörte seit so vielen Jahrzehnten zum Sperrgebiet, dass er etwas Unberührtes und Wildes hatte.
    Nach zehn Minuten müßigen Spazierengehens fiel mir auf, dass lediglich der Turm, in dem ich erwacht war, und die angrenzenden Gebäude bewohnt zu sein schienen. Der Rest der Universität war vollkommen verfallen – die großen Hörsäle den Elementen preisgegeben, das Physiklabor schon vor Jahrhunderten ausgeplündert, die Spielfelder wild zugewuchert, die Kuppel des Observatoriums eingestürzt –, und die Stadt weiter unten am Berghang machte einen noch trostloseren Eindruck. Ich sah ganze Straßenzüge, die von Werholzdickichten und Kudzu zurückerobert worden waren.
    Ich konnte sehen, dass die Universität in ihrer Blütezeit wunderschön gewesen war: Neogotische Bauwerke aus der Ära nach der Hegira waren aus den Sandsteinquadern errichtet worden, die von Steinbrüchen nicht weit von hier stammten. Vor drei Jahren, als ich als Assistent des Landschaftskünstlers Avrol Hume gearbeitet und den größten Teil der Arbeit erledigt hatte, während er die Anwesen der Ersten Familien an der exklusiven Küste des Schnabels neu gestaltete, hatte eine große Nachfrage nach »Follies« bestanden – Ruinenattrappen, die in der Nähe von Seen oder Wäldchen aufgestellt wurden. Ich war gewissermaßen Experte darin geworden, alte Steine in einem künstlerisch ansprechenden Zustand des Verfalls anzuordnen, um Ruinen zu simulieren – die überwiegend geradezu grotesk viel älter waren als die Geschichte der Menschheit auf dieser Welt im Outback –, aber keine der Follies von Hume waren auch nur annähernd so faszinierend gewesen wie diese echten Ruinen. Ich schlenderte durch die Gebeine einer einst berühmten Universität, bewunderte die Architektur und dachte an meine Familie.
    Unserem Namen den einer hiesigen Stadt hinzuzufügen war Tradition unter den meisten Eingeborenenfamilien – denn bei meiner Familie handelte es sich fürwahr um Eingeborene, Nachfahren der ersten Saatschiffpioniere, die vor fast siebenhundert Jahren als drittklassige Bewohner ihrer eigenen Welt hier eingetroffen waren: Und auch nun wieder an dritter Stelle nach den

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