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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Flur entlangschritten, über einen offenen Terrassengarten gingen, wo gelbe und grüne Palmen im Wind raschelten, und weiter in einen luftigen, verglasten Raum mit Reihen von Autochirurgenbetten und einer zentralen Diagnoseeinheit. Wir entschieden uns für das Bett dicht am Fenster, entkleideten das Kind bis auf die Unterwäsche und legten es auf die sauberen Laken. Wir ersetzten die Diagnosefühler durch Fasernfühler und warteten auf die diagnostischen Anzeigen. Die Synthesizerstimme sprach Arabisch und Farsi, und auch die Monitore waren teilweise in dieser Sprache gehalten, aber es gab auch einen Kanal für Netzenglisch, auf den wir umschalteten.
    Der Autochirurg diagnostizierte Erschöpfung, Flüssigkeitsmangel und ein ungewöhnliches EEG-Muster, das von einem schweren Schlag auf den Kopf herrühren konnte. A. Bettik und ich sahen einander an. Aenea hatte keinen Schlag auf den Kopf bekommen.
    Wir genehmigten eine Therapie für die Erschöpfung und den Flüssigkeitsmangel und traten zurück, als Schwebschaumgurte aus dem Bett ausgefahren wurden, Pseudofinger nach Aeneas Venen tasteten und eine Infusion von Kochsalzlösung und Schlafmittel vorbereitet wurde.
    Nach wenigen Minuten schlief das Kind ruhig. Das Diagnosepanel sagte etwas in Arabisch, das A. Bettik übersetzte, bevor ich den Monitor lesen konnte. »Er sagt, die Patientin würde die Nacht gut durchschlafen und sich am Morgen besser fühlen.«
    Ich nahm das Plasmagewehr von meinem Rücken herunter. Unsere staubigen Rucksäcke standen auf einem der Besucherstühle. Als ich ans Fenster ging, sagte ich: »Ich werde mich in der Stadt umsehen, bevor es dunkler wird. Mich vergewissern, dass wir allein sind.«
    A. Bettik verschränkte die Arme und sah zu, wie die große rote Sonne die Dächer der Gebäude auf der anderen Straßenseite berührte. »Ich glaube, wir sind ganz allein«, sagte er. »Hier hat es nur etwas länger gedauert.«
    »Was hat länger gedauert?«
    »Was auch immer die Menschen geholt hat. Auf Hebron waren keine Spuren von Panik oder Gegenwehr zu sehen. Hier hatten die Leute noch Zeit, ihre Fahrzeuge zu verlassen. Aber die Gebetsteppiche sind das sicherste Zeichen.« Ich bemerkte zum ersten Mal, dass die blaue Haut des Androiden auf der Stirn und um die Augen feine Fältchen hatte.
    »Das sicherste Zeichen wofür?«
    »Sie wussten, dass etwas mit ihnen passieren würde«, sagte A. Bettik,
    »und sie haben ihre letzten Minuten im Gebet verbracht.«
    Ich stellte das Plasmagewehr neben den Besucherstuhl und öffnete die Lasche meines Pistolenhalfters. »Ich werde mich trotzdem umsehen«, sagte ich. »Sie bleiben hier, falls sie aufwacht, okay?« Ich holte die beiden Kom-Einheiten aus dem Rucksack, warf eine dem Androiden zu, klemmte die andere an meinem Kragen fest und brachte das Mikro an. »Lassen Sie den allgemeinen Kanal offen. Ich melde mich. Rufen Sie mich, falls es ein Problem gibt.«
    A. Bettik stand neben ihrem Bett. Mit seiner großen Hand berührte er sanft die Stirn des Mädchens. »Ich werde hier sein, wenn sie aufwacht, M. Endymion.«
    Seltsam, dass ich mich an den Abendspaziergang durch die verlassene Stadt so deutlich erinnere. Eine digitale Anzeige am Ufer verkündete, dass die Temperatur bei 40 Grad Celsius lag – 104 Grad Fahrenheit –, aber der trockene Wind von der roten Sandsteinwüste nahm den Schweiß rasch mit sich, und der rosarote Sonnenuntergang wirkte sich beruhigend auf mich aus. Vielleicht erinnere ich mich deshalb so deutlich an den Abend, weil es die letzte Nacht unserer Reise war, bevor sich alles für immer veränderte.
    Mashhad bot eine seltsame Mischung aus moderner Großstadt und Basaren aus Tausendundeine Nacht, einer wunderbaren Geschichtensammlung, die Grandam mir erzählte, wenn wir unter dem Sternenhimmel von Hyperion saßen. Der ganze Ort war vom Moschusduft des Romantischen erfüllt. An einer Ecke fand man einen Zeitungskiosk und einen Geldautomaten, und sobald man um die Ecke ging, standen mitten auf der Straße Buden mit bunt gestreiften Baldachinen und haufenweise Früchten, die in ihren Körben verfaulten. Ich konnte mir das Durcheinander und die Betriebsamkeit hier vorstellen – Kamele, Pferde oder andere Tiere von vor der Hegira trampelten und liefen herum, Hunde bellten, Marktschreier brüllten durcheinander, und Käufer zeterten, Frauen in schwarzen Gewändern und Spitzen burqas oder Schleiern gingen vorüber, und auf beiden Seiten bewegten sich brummend die barocken und uneffizienten

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