Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
zum Vorschein; er winkte uns hinein. Er hielt immer noch die Axt fest, und ich konnte mir vorstellen, wie er hinter dem Phantomzahnvisier und der Membranmaske breit grinste. Die Axt war ein bedeutendes Geschenk gewesen.
    Den Rest der Nacht verbrachten wir in dem Phantombau. Ich half Chiaku, den Eingang mit Schnee und Eis zu verschließen, danach dichteten wir einen Meter des Eingangstunnels mit lockeren Eiskristallen und größeren Bruchstücken ab, und dann gingen wir zurück und sahen zu, wie Chichticu Blöcke des Eisschnees schmolz, bis in der Höhle genügend Atmosphäre zum Atmen vorhanden war. Wir schliefen dicht zusammengedrängt, die dreiundzwanzig vom Unteilbaren Volk und die drei unteilbaren Reisenden, trugen dabei nach wie vor unsere Gewänder und Druckmembranen, hatten aber die Masken abgenommen und atmeten den willkommenen Schweißgeruch der anderen ein. Unsere vereinte Wärme hielt uns während der schrecklichen Nacht draußen am Leben, wo die Fallwinde unter Coriolis-Beschleunigung Eiskristalle fast mit Schallgeschwindigkeit davonwehten... hätte sich Schall in dem Fast-Vakuum fortpflanzen können.
    An eine Einzelheit unserer letzten Nacht bei den Chitchatuk kann ich mich noch erinnern. Der Phantombau war vollständig mit menschlichen Schädeln gesäumt, und jeder schien mit fast künstlerischer Sorgfalt in die kreisrunde Eiswand eingesetzt worden zu sein.
    Wir sahen auch am nächsten Tag der Reise keine Phantome – weder Welpen noch Eisgänge bohrende Erwachsene –, und kurz vor Sonnenuntergang streiften wir unsere Schlittschuhe ab, packten sie ein und betraten die Eistunnel über dem zweiten Farcaster. Als wir uns wieder tief genug in der eingefängenen Atmosphäre befanden, nahmen wir die Masken und Druckanzugmembranen ab und gaben sie fast widerwillig an Chatchia zurück. Es war, als würden wir unsere Mitgliedsausweise des Unteilbaren Volks abgeben.
    Cuchiat hielt eine kurze Ansprache. Ich konnte den hastigen Silben nicht folgen, aber Aenea übersetzte – »Wir hatten Glück... etwas und etwas darüber, wie ungewöhnlich es ist, bei einer Überquerung der Oberfläche nicht gegen Phantome kämpfen zu müssen... aber er sagt, Glück an einem Tag führt fast zwangsläufig zu Pech am nächsten.«
    »Sag ihm, ich hoffe, dass er sich irrt«, sagte ich.
    Der Anblick des offenen Flusses mit seinen Nebelschwaden und der Eisdecke war fast ein Schock. Obwohl wir alle erschöpft waren, machten wir uns unverzüglich an die Arbeit. Es fiel uns schwer, das verkürzte Floß mit den Phantomhandschuhen an den Händen zusammenzubauen, aber die Chitchatuk gingen uns schnell zur Hand, und nach zwei Stunden hatten wir eine kürzere, plumpere Version unseres einstigen Gefährts vor uns – ohne Mast, Zelt und Herdstein. Aber das Ruder war an seinem Platz, und obwohl die Stangen kürzer waren und zusammengebunden schwerfällig aussahen, glaubten wir, dass sie in diesem seichten Abschnitt des Tethys ausreichen würden.
    Der Abschied fiel trauriger aus, als ich mir vorgestellt hatte. Jeder umarmte jeden mindestens zweimal. Aenea hatte Eis auf den langen Wimpern, und ich muss zugeben, dass auch mir heftige Gefühlsaufwallungen die Kehle zuschnürten.
    Dann stießen wir uns in die Strömung ab – es kam mir seltsam vor, mich stillstehend fortzubewegen; meine Muskeln und mein Geist waren noch von den ausgreifenden Gleitbewegungen der Krallenschlittschuhe geprägt –
    das Farcasterportal und die Eiswand kamen näher, wir duckten uns unter dem immer niedrigeren Sims aus Eis, und plötzlich waren wir... anderswo.
    Wir stakten dem Sonnenaufgang entgegen. Hier war der Fluss breit und ruhig, die Strömung langsam, aber konstant. Die Flussufer bestanden aus rotem Fels mit breiten, terrassenförmigen, flachen Stufen, die langsam vom Wasser aus anstiegen; die Wüste bestand aus rotem Gestein mit kleinen gelben Sträuchern; auch das ferne Panorama mit seinen Hügeln und Bögen bestand aus rotem Stein. Die riesige rote Sonne, die links von uns aufging, betonte diese Röte noch. Die Temperatur war bereits hundert Grad höher als in der Eishöhle. Wir schirmten die Augen ab, zogen die Phantomfelle aus und legten sie wie dicke weiße Teppiche am Heck des verkürzten Floßes ab. Die Eisschichten auf den Stämmen glänzten zunächst in der Morgensonne und schmolzen dann.
    Wir kamen überein, dass wir uns auf Qom-Riyadh befinden mussten, noch ehe wir das Komlog oder den Tethys-Reiseführer konsultiert hatten.
    Die rote Steinwüste

Weitere Kostenlose Bücher