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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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verschnörkelte Muster und Dessins erkennen. Ein komplexer Strang von Goldfäden war noch so strahlend wie...
    »Mein Gott«, sagte ich, und die Erkenntnis war wie ein Faustschlag in den Solarplexus. »Eine Hawking-Matte.«
    Das Holo von Martin Silenus räusperte sich, als wollte es ausspucken.
    »Nicht eine Hawking-Matte«, knurrte er. »Die Hawking-Matte.«
    Ich wich einen Schritt zurück. Das war der Stoff, aus dem die Legenden sind, und ich stand beinahe darauf.
    Es hatte überhaupt nur wenige hundert Hawking-Matten gegeben, und dies war die erste davon – Vladimir Sholokov, der Schmetterlingssammler und legendäre Erfinder der EM-Systeme auf der Alten Erde, hatte sie kurz nach dem Untergang der Alten Erde geschaffen. Sholokov – schon über siebzig Standard – hatte sich unsterblich in seine Nichte verliebt, den Teenager Alotila, und diesen fliegenden Teppich geknüpft, um ihre Liebe zu gewinnen. Nach einem leidenschaftlichen Zwischenspiel hatte das Mädchen dem alten Mann den Laufpass gegeben, Sholokov hatte nur wenige Wochen nach Vollendung des auch heute noch gebräuchlichen Hawking-Spinantriebs auf der Neuen Erde Selbstmord begangen, und der Teppich blieb jahrhundertelang verschollen... bis Mike Osho ihn auf dem Markt in Carvnel kaufte und nach Maui-Covenant brachte, ihn mit seinem Schiffskameraden Merin Aspic für etwas benutzte, woraus eine andere Liebesgeschichte sich entwickelte, die ebenfalls in die Legende eingehen sollte – die Liebe zwischen Merin und Siri. Diese zweite Legende hatte natürlich in Martin Silenus’ epische Cantos Eingang gefunden, und wenn man seiner Geschichte Glauben schenken wollte, war Siri die Großmutter des Konsuls gewesen. In den Cantos hatte der Hegemonie-Konsul eben diese Hawking-Matte benutzt (in diesem Fall allerdings bezog sich der Name auf den Vogel hawk, den Falken der Alten Erde, nicht auf den Prä-Hegira-Wissenschaftler Hawking, dessen Arbeit zum Durchbruch bei der C-plus-Forschung und dem verbesserten interstellaren Antrieb geführt hatten), um – eine letzte Legende – Hyperion zu überqueren: sein Flug vom Tal der Zeitgräber zur Stadt Keats, um eben dieses Schiff hier zu befreien und damit zu den Gräbern zurückzufliegen.
    Ich sank auf die Knie und berührte das Kunstwerk ehrerbietig.
    »Himmelherrgott«, sagte Silenus, »es ist nur ein verdammter Teppich.
    Und ein hässlicher obendrein. Ich wollte ihn nicht in meinem Haus haben – er beißt sich mit allem.«
    Ich sah auf.
    »Ja«, sagte A. Bettik. »Es ist dieselbe Hawking-Matte.«
    »Fliegt sie noch?«, fragte ich.
    A. Bettik sank neben mir auf ein Knie, streckte die Hand mit den blauen Fingern aus und klopfte auf das verschnörkelte und komplizierte Muster.
    Die Hawking-Matte wurde steif wie ein Brett und schwebte zehn Zentimeter über dem Boden.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe nie verstanden... EM-Systeme funktionieren auf Hyperion nicht wegen des seltsamen Magnetfelds hier...«
    »Große EM-Systeme nicht«, knurrte Martin Silenus. »EMVs.
    Schwebebarken. Große Klamotten. Der Teppich schon. Und er ist verbessert worden.«
    Ich zog eine Braue hoch. »Verbessert?«
    »Wieder die Ousters«, meldete sich das Schiff zu Wort. »Ich kann mich nicht deutlich daran erinnern, aber sie haben sich an vielem zu schaffen gemacht, als wir sie vor zweieinhalb Jahrhunderten besucht haben.«
    »Offensichtlich«, sagte ich. Ich stand auf und strich mit dem Fuß über die legendäre Matte. Sie wippte wie auf starken Sprungfedern, blieb aber in ihrem Schwebezustand. »Okay«, sagte ich, »wir haben Merins und Siris Hawking-Matte, die... wenn ich die Geschichte richtig in Erinnerung habe...
    mit etwa zwanzig Klicks pro Stunde fliegen konnte...«
    »Sechsundzwanzig Kilometer pro Stunde war ihre Höchstgeschwindigkeit«, sagte A. Bettik.
    Ich nickte und stieß den schwebenden Teppich wieder an.
    »Sechsundzwanzig Klicks pro Stunde bei gutem Rückenwind«, sagte ich.
    »Und wie weit ist das Tal der Zeitgräber von hier entfernt?«
    »Eintausendsechshundertundachtundneunzig Kilometer«, sagte das Schiff.
    »Und wie viel Zeit haben wir, bis Aenea dort aus der Sphinx herauskommt?«, fragte ich.
    »Zwanzig Stunden«, sagte Martin Silenus. Er schien sein jüngeres Ebenbild satt zu haben, denn die Holoprojektion zeigte nun den alten Mann, wie ich ihn am Abend zuvor gesehen hatte, samt Schwebestuhl und allem.
    Ich sah auf meine Armbanduhr. »Ich bin zu spät dran«, sagte ich. »Ich hätte schon vor einigen Tagen aufbrechen

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