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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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konnte es nicht dabei bewenden lassen. »Hast du ihn... geliebt?« Woher wusste ich, dass es ein Er war? Theo... Rachel... sie umgab sich mit Frauen. Bei diesen Gedanken ekelte ich mich vor mir selbst.
    »Ich liebe dich, Raul«, flüsterte sie.
    Sie sagte das erst zum zweiten Mal, das erste Mal war gewesen, als sie sich vor mehr als fünfeinhalb Jahren auf der Alten Erde von mir verabschiedet hatte. Mein Herz hätte vor Freude über diese Worte einen Luftsprung machen müssen. Aber es schmerzte zu sehr. Hier hatte ich es mit etwas Bedeutendem zu tun, das ich nicht verstand.
    »Aber da war ein Mann«, sagte ich, und die Worte waren wie – Kieselsteine in meinem Mund. »Du hast ihn geliebt...« Nur einen? Wie viele? Ich wollte meine Gedanken anschreien, dass sie endlich aufhören sollten.
    Aenea legte mir einen Finger auf die Lippen. »Ich liebe dich, Raul, vergiss das nicht bei allem, was ich dir jetzt sage. Alles ist kompliziert. Wegen dem, wer ich bin. Wegen dem, was ich tun muss. Aber ich liebe dich... ich habe dich von dem Moment an geliebt, als ich dich zum ersten Mal in den Träumen von meiner Zukunft gesehen habe. Ich habe dich geliebt, als wir uns in dem Sandsturm auf Hyperion kennen gelernt haben, trotz Durcheinander und Schießerei und Shrike und Hawking-Matte. Erinnerst du dich, wie ich die Arme um dich gelegt habe, als wir auf der Matte geflogen sind und entkommen wollten? Da habe ich dich schon geliebt...«
    Ich wartete schweigend. Aeneas Finger wanderte von meinen Lippen zur Wange. Sie seufzte, als läge das ganze Gewicht der Welt auf ihren Schultern. »Na gut«, sagte sie. »Da war jemand. Ich habe schon mit jemandem geschlafen. Wir...«
    »War es etwas Ernstes?«, sagte ich. Meine Stimme kam mir seltsam vor, wie der gekünstelte Tonfall des Schiffs.
    »Wir waren verheiratet«, sagte Aenea.
    Auf dem Fluss Kans auf Hyperion hatte ich einmal einen Faustkampf mit einem älteren Barkenmatrosen angefangen, der anderthalbmal so viel wog wie ich und unendlich mehr Erfahrung im Kämpfen hatte. Ohne Vorwarnung hatte er mir einen Schwinger unter das Kinn verpasst, nach dem mir schwarz vor Augen wurde, meine Knie nachgaben und ich über die Reling der Barke in den Fluss stürzte. Der Mann hegte keinen Groll gegen mich und war persönlich ins Wasser gesprungen, um mich herauszufischen. Ich hatte nach einer oder zwei Minuten das Bewusstsein wiedererlangt, aber es dauerte Stunden, bis das Klingeln in meinem Kopf nachließ und ich wieder klar sehen konnte.
    Dies war schlimmer. Ich konnte nur daliegen und sie ansehen, meine geliebte Aenea, und ihre Finger auf meiner Wange spüren – so seltsam und kalt und fremd wie die Berührung eines Fremden. Sie nahm ihre Hand weg.
    Es kam noch schlimmer.
    »Die dreiundzwanzig Monate, eine Woche und sechs Stunden, von denen ich nicht erzählt habe«, sagte sie.
    »Mit ihm?« Ich konnte mich nicht erinnern, die beiden Worte geformt zu haben, hörte sie aber mit meiner Stimme.
    »Ja.«
    »Verheiratet...«, sagte ich und konnte nicht weitersprechen. Aenea lächelte tatsächlich, aber ich glaube, es war das traurigste Lächeln, das ich je gesehen habe. »Von einem Priester getraut«, sagte sie. »In den Augen von Pax und Kirche wird die Ehe legal sein.«
    »Wird sein?«
    »Ist.«
    »Du bist noch verheiratet?« Ich wollte aufstehen und mich über den Rand der Plattform übergeben, konnte mich aber nicht bewegen.
    Einen Moment schien Aenea verwirrt zu sein und nicht antworten zu können. »Ja...«, sagte sie, und Tränen glänzten in ihren Augen. »Ich meine, nein... ich bin jetzt nicht verheiratet... du... verdammt, wenn ich nur...«
    »Aber der Mann lebt noch?«, unterbrach ich sie mit einer Stimme, die so flach und tonlos wie die eines Inquisitors des Heiligen Offiziums war.
    »Ja.« Sie legte die Hand auf ihre eigene Wange. Ihre Finger zitterten.
    »Liebst du ihn, Spatz?«
    »Ich liebe dich, Raul.«
    Ich rückte unbewusst ein wenig ab, da ich keinen Körperkontakt mit ihr wollte, während wir diese Diskussion führten.
    »Da ist noch etwas...«, sagte sie.
    Ich wartete.
    »Wir hatten... ich... ich hatte ein Kind, ein Baby.« Sie sah mich an, als wollte sie mir durch ihren Blick das Verständnis für alles direkt ins Gehirn zwingen. Es klappte nicht.
    »Ein Kind«, wiederholte ich fassungslos. Meine teure Freundin... meine kindliche Freundin, die zur Frau und meiner Geliebten geworden war...
    meine Liebste hatte ein Kind. »Wie alt ist es?«, fragte ich und hörte die Banalität wie

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