Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Weintraub – die Frau, die sich auf Hyperion Merlins Krankheit zugezogen hatte und siebenundzwanzig Jahre rückwärts gealtert war, bis Sol sie als Säugling mit auf die Pilgerfahrt nahm.«
»Und sie wurde auch Moneta genannt«, sagte ich. »Und Mnemosyne...«
»Ermahnerin«, murmelte Aenea. »Und Gedächtnis. Angemessene Namen für ihre Rolle zu jener Zeit.«
»Das war vor zweihundertachtzig Jahren!«, sagte ich. »Und Dutzende Lichtjahre entfernt... auf Hyperion. Wie ist sie hierher gekommen?«
Aenea lächelte. Der warme Tee hauchte Dampf aus, der zu ihrem zerzausten Haar emporstieg. »Mein Leben begann auch vor zweihundertachtzig Jahren«, sagte sie. »Und Dutzende Lichtjahre entfernt... auf Hyperion.«
»Also ist sie auf dieselbe Weise wie du hierher gelangt? Durch die Zeitgräber?«
»Ja und nein«, sagte Aenea. Sie hielt eine Hand hoch, um meine Einwände abzuwehren. »Ich weiß, dass du deutliche Erklärungen willst, Raul...
keine Parabeln oder Gleichnisse oder Ausflüchte. Ich stimme dir zu. Die Zeit für offene Gespräche ist da. Aber die Wahrheit ist, das Zeitgrab Sphinx ist nur ein Teil von Rachels Reise.«
Ich wartete.
»Du erinnerst dich an die Cantos«, begann sie.
»Ich erinnere mich, dass der Pilger namens Sol Weintraub seine Tochter... nachdem die Keats-Persönlichkeit sie irgendwie vor dem Shrike gerettet hatte und sie wieder anfing, normal zu altern... sie durch die Sphinx mit in die Zukunft genommen hat...« Ich verstummte. »Diese Zukunft?«
»Nein«, sagte Aenea. »Der Säugling Rachel wuchs in einer Zukunft jenseits von unserer wieder zu einem Kind heran, einer jungen Frau. Ihr Vater zog sie ein zweites Mal groß. Ihre Geschichte ist... wundervoll, Raul.
Buchstäblich voller Wunder.«
Ich rieb mir die Stirn. Die Kopfschmerzen waren weg, drohten aber zu-rückzukehren. »Und sie kam durch die Zeitgräber wieder hierher zurück?«, fragte ich. »Bewegte sich mit ihnen rückwärts durch die Zeit?«
»Teils durch die Zeitgräber«, sagte Aenea. »Aber sie ist auch fähig, allein durch die Zeit zu reisen.«
Ich starrte sie an. Das grenzte an Wahnsinn.
Aenea lächelte, als hätte sie meine Gedanken gelesen, vielleicht auch nur meinen Gesichtsausdruck. »Ich weiß, es hört sich wie Wahnsinn an, Raul.
Vieles, das uns noch bevorsteht, wird sehr seltsam sein.«
»Das ist eine Untertreibung«, sagte ich. In meinem Geist fügte sich ein weiterer Puzzlestein ein. »Theo Bernard!«, sagte ich.
»Ja?«
»Es gab einen Theo in den Cantos, nicht?«, sagte ich. »Einen Mann...«
Es existierten verschiedene Versionen der mündlichen Überlieferung, des Gedichtes, das gesungen werden sollte, und viele dieser nebensächlichen Einzelheiten fehlten in den kurzen, populären Versionen. Grandam hatte mich den größten Teil des gesamten Gedichts auswendig lernen lassen, aber die langweiligen Stellen hatten mein Interesse nie nennenswert geweckt.
»Theo Lane«, sagte Aenea. »Zeitweise der Attaché des Konsuls auf Hyperion, später der erste Generalgouverneur unserer Welt für die Hegemonie. Ich habe ihn einmal kennen gelernt, als ich ein Mädchen war. Ein anständiger Mann. Ruhig. Er trug eine archaische Brille...«
»Diese Theo«, sagte ich und versuchte, das Rätsel zu lösen. Eine Art Geschlechtsumwandlung?
Aenea schüttelte den Kopf. »Nahe dran, aber keine Zigarre, wie Freud gesagt hätte.«
»Wer?«
»Theo Bernard ist die Ur-Ur-Ur-und-so-weiter-Urenkelin von Theo Lane«, sagte Aenea. »Ihre Geschichte ist ein Abenteuer für sich. Aber sie wurde in dieser Gegend geboren... sie entkam aus den Pax-Kolonien auf Maui-Covenant und schlug sich zu den Rebellen durch... aber das tat sie wegen etwas, das ich dem ursprünglichen Theo Lane vor fast dreihundert Jahren gesagt hatte. Es war über alle Generationen weitergegeben worden.
Theo wusste, dass ich auf Maui-Covenant sein würde, als ich...«
»Wie das?«, fragte ich.
»Das habe ich Theo Lane gesagt«, antwortete meine Freundin. »Wann ich da sein würde. Das Wissen wurde in seiner Familie bewahrt... so wie die Pilgerfahrt zum Shrike in den Cantos bewahrt wurde.«
»Also kannst du in die Zukunft sehen«, sagte ich nüchtern.
»Zukünfte«, verbesserte mich Aenea. »Das sagte ich dir schon. Und du hast mich heute Abend gehört.«
»Du hast deinen eigenen Tod gesehen?«
»Ja.«
»Wirst du mir sagen, was du gesehen hast?«
»Jetzt nicht, Raul. Bitte. Wenn es an der Zeit ist.«
»Aber wenn es Zukünfte gibt«, sagte ich und hörte den
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