Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Woche, ein Tag«, sagte A. Raddik.
»Natürlich alles Erd-Standard.«
»Hggrhh«, grunzte der alte Dichter. Er sah immer noch zum Himmel hinauf. Das Sonnenlicht wurde durch das nach Osten gerollte Segeltuch gefiltert und warf seinen Lichtschein auf die Südwand des Steinturms, und auch wenn es nicht direkt auf Silenus fiel, trieb es ihm die Tränen in die uralten Augen. »Ich bin ein Geschöpf der Dunkelheit geworden«, murmelte er. »Wie Dracula. Ich steige alle paar Jahre aus meinem Scheißgrab empor, um in der Welt der Lebenden nach dem Rechten zu sehen.«
»Ja, M. Silenus«, stimmte A. Raddik zu und drehte an mehreren Knöpfen ihrer Kontrollkonsole.
»Halt den Mund, Weibsbild«, sagte der Dichter.
»Ja, M. Silenus.«
Der alte Mann stöhnte. »Wie lange, bis ich in meinen Schwebstuhl kann, Raddik?«
Die unbehaarte Androidin schürzte die Lippen. »Noch zwei Tage, M. Silenus. Vielleicht zweieinhalb.«
»Oh, Tod und Teufel«, murmelte Martin Silenus. »Jedes Mal geht die Genesung langsamer über die Bühne. Eines Tages werde ich überhaupt nicht mehr aufwachen. Die Fugenmaschine wird mich nicht zurückholen können.«
»Ja, M. Silenus«, stimmte die Androidin zu. »Jeder Kälteschlaf setzt Ihrem Körper mehr zu. Die Wiederbelebungs- und Lebenserhaltungsanlage ist ziemlich alt. Es stimmt, dass Sie nicht mehr viele Erweckungen überleben werden.«
»Ach, halt den Mund«, knurrte Martin Silenus. »Du bist eine morbide alte Schwarzseherin.«
»Ja, M. Silenus.«
»Wie lange bist du bei mir, Raddik?«
»Zweihunderteinundvierzig Jahre, elf Monate, neun Tage«, sagte die Androidin. »Standard.«
»Und du hast immer noch nicht gelernt, eine anständige Tasse Kaffee zu machen.«
»Nein, M. Silenus.«
»Aber du hast eine Kanne aufgesetzt, richtig?«
»Ja, M. Silenus. Ganz wie Sie angeordnet haben.«
»Verdammt gut«, sagte der Dichter.
»Aber Sie werden noch mindestens zwölf Stunden nicht in der Lage sein, Flüssigkeit oral zu sich zu nehmen, M. Silenus«, sagte A. Raddik.
»Arrrggghhh!«, sagte der Dichter.
»Ja, M. Silenus.«
Nach einigen Minuten, in denen es aussah, als wäre der alte Mann wieder eingeschlafen, sagte Martin Silenus: »Nachricht von dem Jungen oder dem Kind?«
»Nein, Sir«, sagte A. Raddik. »Aber natürlich haben wir heutzutage nur Zugang zum systeminternen Kom-Netz des Pax. Und ihre neuen Verschlüsselungen sind ziemlich gut.«
»Gerüchte über sie?«
»Keine gesicherten, M. Silenus«, sagte die Androidin. »Es sieht ziemlich schlecht für den Pax aus... Revolutionen in vielen Systemen, Probleme mit ihrem Kreuzzug gegen die Ousters im Outback, konstante Bewegungen von Truppentransportern innerhalb der Grenzen des Pax... und es wird über die virulente Ansteckung geredet, strengstens kodiert und vorsichtig.«
»Die Ansteckung«, wiederholte Martin Silenus und lächelte ein zahnloses Lächeln. »Das Kind, nehme ich mal an.«
»Gut möglich, M. Silenus«, sagte A. Raddik, »aber es besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine richtige Virusseuche auf den Welten ausgebrochen ist, wo...«
»Nein«, sagte der Dichter und schüttelte heftig den Kopf. »Es ist Aenea.
Und ihre Lehren. Die sich ausbreiten wie die Peking-Grippe. Sie erinnern sich nicht an die Peking-Grippe, M. Raddik, oder?«
»Nein, Sir«, sagte die Frau, beendete ihre Überprüfung der Ausdrucke und stellte das Modul auf Automatik. »Das war vor meiner Zeit. Es war vor jedermanns Zeit. Außer Ihrer, Sir.«
Normalerweise hätte der Dichter darauf mit einem Ausbruch von Flüchen geantwortet, aber nun nickte er nur. »Ich weiß. Ich bin ein Freak der Natur.
Bezahlt eure zwei Kreuzer, und kommt ins Gruselkabinett... seht den ältesten Mann der Galaxis... seht die Mumie, die spricht und wandelt...
irgendwie... seht das abscheuliche Ding, das sich weigert zu sterben. Bin ich nicht bizarr, A. Raddik?«
»Ja, M. Silenus.«
Der Dichter grunzte. »Nun, mach dir keine Hoffnungen, blaues Ding. Ich werde den Löffel nicht abgeben, bevor ich etwas von Raul und Aenea gehört habe. Ich muss die Cantos vollenden, und ich kenne das Ende erst, wenn sie es für mich gemacht haben. Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich sehe, was sie getan haben?«
»Genau, M. Silenus.«
»Red mir nicht nach dem Mund, blaues Weib.«
»Ja, M. Silenus.«
»Der Junge... Raul... hat mich vor fast zehn Jahren gefragt, wie seine Befehle lauten. Ich sagte ihm... rette das Kind Aenea... stürze den Pax...
vernichte die Macht der Kirche... und
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